Arztwerbung

Jetzt gelten neue Regeln

Die AMG-Novelle hat es möglich gemacht: Im Praxismarketing werden die Spielregeln lockerer. Wichtig für Ärzte: Einige Einschränkungen aus dem Heilmittelwerbegesetz sind damit gefallen.

Von Frank A. Stebner Veröffentlicht:
Nun steht auch im Heilmittelwerbegesetz endlich Schwarz auf Weiß: Das Praxisteam darf in Berufskleidung für die Praxis werben.

Nun steht auch im Heilmittelwerbegesetz endlich Schwarz auf Weiß: Das Praxisteam darf in Berufskleidung für die Praxis werben.

© Jeanette Dietl / fotolia.com

SALZGITTER. Die Grenzen für die Praxiswerbung dehnen sich weiter aus: Zwar enthält das ärztliche Berufsrecht nach wie vor für bestimmte Formen der Patientenkommunikation - etwa das Bewerben von Tätigkeitsschwerpunkten - feste Spielregeln.

Wenn Ärzte werben, unterliegen ihre Aktivitäten aber auch allgemeinen Gesetzen, insbesondere dem Heilmittelwerbegesetz (HWG). Und genau an diesem wurde nun gehörig geschraubt - zum Vorteil unternehmerisch denkender Ärzte.

Das HWG reglementiert besonders die Werbung außerhalb der Fachkreise. Tätigkeitsschwerpunkte auf Praxisschildern, Visitenkarten, in Patienteninformationen, in Anzeigen und im Internet dürfen nicht gegen das HWG verstoßen.

Seit dem Inkrafttreten des HWG 1965 hat sich das Patientenbild grundlegend gewandelt. Patienten haben mehr Eigenverantwortung und ein größeres Informationsbedürfnis.

Das damalige Bild des eher unmündigen und hilflosen Patienten als Leitmotiv für das HWG ist heute nicht mehr vertretbar - das hat auch der Gesetzgeber erkannt.

Über Artikel 5 des Zweiten Gesetzes zur Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften vom 28.06.2012 (AMG-Novelle) - das durch den Bundesrat erst kürzlich, am 21.09.2012, verabschiedet worden ist - hat er daher Änderungen im Heilmittelwerbegesetz vorgenommen. Für Ärzte sind vor allem die Änderungen im Paragrafen 11 HWG wichtig:

Verbotene Werbung mit fachlichen Veröffentlichungen entfällt: Nach Paragraf 11 Absatz 1 Nr. 1 HWG durfte sich Werbung für Ärzte zum Beispiel nicht auf Fachveröffentlichungen des Werbenden beziehen.

Dabei war an sich nie zu verstehen, weshalb das Engagement eines Arztes, etwa in Form eines Buches über Beschwerden des Bewegungsapparats, den Patienten in der Werbung nicht vorgestellt werden durfte. Diese Norm ist durch das Änderungsgesetz nun aufgehoben worden.

Werbung darf nicht irreführend sein: Der neue Freiraum gilt nicht unbegrenzt. Kontrollierende Norm ist Paragraf 3 HWG, wonach irreführende Werbung unzulässig ist. Die Norm enthält einen Katalog von Fällen, in denen insbesondere eine Irreführung gegeben ist.

So darf etwa nicht der Eindruck entstehen, dass bei einer Behandlung der Erfolg sicher ist. Als Grundregel können sich Praxen merken: Verboten ist die Behauptung von Tatsachen und Wertungen, die falsch oder zweifelhaft sind.

Verbotene Werbung mit bekannten Namen: Auch in Sachen empfehlende Werbung wurde das HWG gelockert. Die Novellierung von Paragraf 11 Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 HWG begrenzt zwar nach wie vor das Werben mit anderen, bekannten Namen.

Genauer heißt es: "Außerhalb der Fachkreise darf ... nicht geworben werden mit Angaben oder Darstellungen, die sich auf eine Empfehlung von Wissenschaftlern, von im Gesundheitswesen tätigen Personen, von im Bereich der Tiergesundheit tätigen Personen oder anderen Personen, die aufgrund ihrer Bekanntheit zum Arzneimittelverbrauch anregen können, beziehen."

Zulässig ist nach diesem Text aber die bloße Angabe, es liege eine fachliche Prüfung oder Anwendung vor.

Durch die Neufassung soll nur noch der Irreführungsgefahr durch die genannten wissenschaftlichen Autoritäten und die hiermit verbundene etwaige Aufwertung des Produktes oder der Leistung untersagt sein.

Gelockert wird auch die Darstellung von Krankengeschichten: Eingeschränkt wird das Verbot der Wiedergabe von Krankengeschichten. Es bleibt nur dann verboten, wenn weitere Merkmale bei der Werbung hinzutreten.

Der neue Text von Paragraf 11 Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 HWG lautet: "Außerhalb der Fachkreise darf ... nicht geworben werden mit der Wiedergabe von Krankengeschichten sowie Hinweisen darauf, wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgt oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann."

Allerdings müssen Ärzte natürlich auch ihre Schweigepflicht und Datenschutzregeln im Hinterkopf behalten.

Das Kittelverbot fällt aus dem Gesetz: Nachdem durch Urteil des Bundesgerichtshofs vom 01.03.2007 das Verbot, in Berufskleidung für die Praxis zu werben, faktisch gefallen ist, streicht der Gesetzgeber jetzt konsequent Paragraf 11 Absatz 1 Satz 1 Nr. 4 HWG.

Kein Arzt, der das Team in weißer Kleidung in seinem Flyer abbildet oder in einer Szene gerade eine Akupunkturnadel setzt, muss mehr mit wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen rechnen.

Bilder und Fachsprache sind nun teilweise erlaubt: Auch Paragraf 11 Absatz 1 Satz 1 Nr. 5 HWG - nämlich, dass mit medizinischen Darstellungen nicht geworben werden darf - wird nun liberalisiert und damit der Rechtsprechung angepasst, die bereits zu einer EU-richtlinienkonformen Auslegung übergegangen war.

Die neue Norm lautet: "Außerhalb der Fachkreise darf ... nicht geworben werden mit einer bildlichen Darstellung, die in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder Schädigungen und die Wirkung eines Arzneimittels im menschlichen Körper oder in Körperteilen verwendet."

Grundsätzlich ist deshalb eine bildliche Darstellung der Wirkweise bestimmter Therapien möglich, wobei auch hier das Irreführungsverbot sowie die Vermeidung von suggestiven Wirkungen auf Patienten fortgilt.

Paragraf 11 Absatz 1 Satz 1 Nr. 6 HWG - die Werbung mit Fachbegriffen - war früher sehr beliebt bei Abmahnungen. Ärzte, die ahnungslos "Hypogonadismus" kommunizierten, verstießen gegen die Norm.

Nun wird die Norm aufgehoben, allerdings sollen etwaige Irreführungen (Missverständnisse) aufgrund der Verwendungen entsprechender Begriffe vom allgemeinen Irreführungsverbot (§ 3 HWG) erfasst werden (Bundestagsdrucksache 17/9341, Seite 71). Vorsicht ist deshalb also nach wie vor geboten.

Ärzte dürfen Patienten keine Angst machte: Ziel der Reform von Paragraf 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 HWG ist es, bisherige Unsicherheiten in der Anwendung der Norm zu beseitigen.

Der neue Text lautet: "Außerhalb der Fachkreise darf ... nicht geworben werden mit Werbeaussagen, die nahe legen, dass die Gesundheit durch die Nichtverwendung des Arzneimittels beeinträchtigt oder durch die Verwendung verbessert werden könnte."

Anleitung zur Selbstmedikation bleibt ein Minenfeld: Paragraf 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 HWG sollte Werbung unterbinden, die dazu anleitet, Krankheiten selbst zu erkennen und zu behandeln, anstatt Ärzte aufzusuchen.

Diese Norm ist ersatzlos gestrichen worden. Die Problematik der Gefahr von Selbstdiagnosen kann aber zukünftig Paragraf 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 HWG (Wiedergabe von Krankengeschichten) unterfallen. Hinzu tritt noch § 3 HWG als auffangender Prüfstein.

Praxen dürfen jetzt Empfehlungsmarketing nutzen: Die Neufassung von Paragraf 11 Absatz 1 Satz 1 Nr. 11 HWG erleichtert eine beliebte Werbung.

Denn danach ist die Werbung mit Äußerungen Dritter nur verboten, "wenn diese in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise erfolgen". Äußerungen Dritter ohne Gefährdung sind daher grundsätzlich nicht mehr verboten.

Dr. Frank A. Stebner ist Fachanwalt für Medizinrecht in Salzgitter.

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