Erfolge im Bürokratieabbau

Ein paar Formulare rauschten schon durch den Praxistest

Das "Formularlabor Westfalen-Lippe" von Barmer GEK und KVWL nimmt verschiedene Formulare unter die Lupe und prüft, ob und wie man sie praxisnaher gestalten könnte. Der Zwischenbericht zeigt erste Erfolge.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Barmer GEK-Chef Dr. Christoph Straub (l.) und KVWL-Chef Dr. Thomas Kriedel mit dem Zwischenbericht des Formularlabors Westfalen-Lippe.

Barmer GEK-Chef Dr. Christoph Straub (l.) und KVWL-Chef Dr. Thomas Kriedel mit dem Zwischenbericht des Formularlabors Westfalen-Lippe.

© Ilse Schlingensiepen

WUPPERTAL. Die Krankenkasse will vom niedergelassenen Arzt wissen, ob und welche Pflegestufe sein Patient hat. Der weiß das nicht immer und muss zum Teil erst recherchieren, um das Kassenformular korrekt ausfüllen zu können.

Die Kasse leitet die Information an die Ärzte vom Medizinischen Dienst (MDK) weiter - die brauchen sie aber gar nicht, weil ihnen die entsprechenden Unterlagen ohnehin vorliegen.

Vollkommen am Bedarf vorbei

Den meisten Ärzten werden schnell einige Beispiele dafür einfallen, dass sie Anfragen von Kassen beantworten oder Bescheinigungen ausfüllen, deren Sinn sich ihnen nicht erschließt.

Überraschend für viele Ärzte: Den Mitarbeitern von Kassen und MDK geht es nicht anders. Denn auch sie machen häufig die Erfahrung, dass eine Reihe von Formularen nichts mit den Erfordernissen der täglichen Praxis zu tun hat.

"Alle haben ein berechtigtes Interesse daran, die Bürokratielast an dieser Stelle zu reduzieren", sagt der Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK Dr. Christoph Straub im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

"Wir brauchen vernünftige Formulare, die an die Abläufe in den Praxen angepasst sind und es den Kassen gleichzeitig ermöglichen, das Leistungsrecht umzusetzen", ergänzt Dr. Thomas Kriedel, Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL).

Vor fünf Jahren haben die Barmer GEK und die KVWL gemeinsam die Initiative ergriffen, um Sinn und Struktur in die Formularflut im Gesundheitswesen zu bringen und einen Beitrag zur Entbürokratisierung zu leisten. Sie haben das "Formularlabor Westfalen-Lippe" ins Leben gerufen. Jetzt liegt der Zwischenbericht für die Jahre 2011 bis 2016 vor.

Engagement zeigt erste Früchte

In Borken, Dortmund und Münster arbeiten niedergelassene Haus- und Fachärzte, Ärzte der MDK und Mitarbeiter der Kasse seit 2011 gemeinsam an der Verbesserung der Situation.

Sie nehmen die verschiedenen Formulare unter die Lupe und prüfen, ob und wie man sie praxisnaher gestalten könnte. In einem nächsten Schritt machen die Mitglieder der Arbeitsgruppen konkrete Vorschläge, die dann an die Bundesebene weitergeleitet werden.

Das Engagement der Ärzte und Kassenarbeiter in den drei Arbeitsgruppen ist mühsam, aber es zeitigt Früchte.

Dem "Formularlabor Westfalen-Lippe" ist zu verdanken, dass es inzwischen nur noch ein Formular für die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit gibt, die Verordnung zur medizinischen Rehabilitation vereinfacht wurde und noch in diesem Jahr die Chronikerbescheinigung deutlich verschlankt werden soll.

"Es gibt viele Stellen, an denen wir durch den Rückgriff auf die Praxis noch einiges erreichen könnten", betont Straub, der selbst Arzt ist.

Er verweist auf den "Berichtsvordruck Gesundheitsuntersuchung". "Das Formular ist schon sehr alt und spiegelt nicht mehr den aktuellen medizinischen Stand wider." Als weiteres Problem seien häufig die vielen Freitext-Felder. Sie seien nicht immer nötig.

Plädoyer für Praxistest

Für wichtig hält Straub es auch, dass die unterschiedlichen Formulare vernünftig kategorisiert werden und allen Beteiligten klar ist, welchem Zweck sie jeweils dienen. Auch hier haben die Arbeitsgruppen schon viel Arbeit geleistet.

"Es ist fünf bis zehn Mal schwieriger, ein bestehendes Formular zu ändern, als ein Neues von Anfang an richtig zu gestalten", betont KVWL-Vorstand Kriedel.

Deshalb wollen sich die Formular-Laboranten auf Dauer nicht darauf beschränken, das geradezubiegen, was nicht so gut läuft. Ziel ist, dass die Arbeitsgruppen künftig bei der Entwicklung von neuen Richtlinien die damit verbundenen Formulare einem Praxistest unterziehen.

"Der Vorteil wäre, dass es sich um eine gemeinsame Stellungnahme von Ärzten, Kassen und MDK handeln würde", sagt Kriedel.

"Wir wollen als neutrale Sachverständige der regionalen Basis agieren." Der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses Professor Josef Hecken habe bereits Interesse an einem solchen Vorgehen signalisiert, berichtet er.

Alles andere wäre auch erstaunlich, findet der Chef der Barmer GEK. "Es gibt kein gutes Argument dagegen, die bürokratische Last zu reduzieren." Straub und Kriedel sind sich einig, dass es nicht darum gehen soll, auf notwendige Dokumentationen zu verzichten.

"Wir brauchen weiter Angaben für die Qualitätssicherung, aber wir wollen gemeinsam überlegen, welche genau das sein müssen", sagt Kriedel. Viel helfen würde es an manchen Stellen schon, wenn die oft sehr juristisch geprägten Formulierungen besser auf den ärztlichen Alltag abzielen würden.

"Wollen prüfen, vereinfachen, verschlanken"

"Wir wollen die Formulare so gestalten, dass die notwendigen Sachverhalte belastbar dokumentiert werden, ohne in den Praxen zu viel Arbeit zu produzieren", so Straub.

In einem nächsten Schritt kann es auch eine Aufgabe des Formularlabors werden, die Formulare mit Blick auf die Herausforderungen der Digitalisierung unter die Lupe zu nehmen. Das ist aber nicht das primäre Ziel.

"Wir wollen prüfen, vereinfachen, verschlanken. Die elektronische Verarbeitung steht erst am Ende", stellt der Chef der Barmer GEK klar.

Auch in der analogen Welt gibt es schließlich genug Arbeit für das Formularlabor. Pro Woche fließe zurzeit rund ein Tag der ärztlichen Arbeitszeit in die Bürokratie, sagt Kriedel.

"Davon kann man einen halben Tag einsparen, wenn wir die Verfahren optimieren."

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