Auszeit in Uniform

Hausarzt auf hoher See

Dr. Daniel Pohl betreibt eine etablierte Arztpraxis in Bayern, doch das genügt ihm nicht. Mehrmals im Jahr schlüpft der Hausarzt in eine Bundeswehruniform und leistet Dienst in der Kaserne – oder ist als Marinearzt unterwegs.

Thorsten SchüllerVon Thorsten Schüller Veröffentlicht:
Als Arzt der Reserve geht Dr. Daniel Pohl auch gelegentlich auf große Reise. An Bord versorgt er dann Soldaten bei gesundheitlichen Problemen. Er steht aber auch für andere medizinische Einsätze parat.

Als Arzt der Reserve geht Dr. Daniel Pohl auch gelegentlich auf große Reise. An Bord versorgt er dann Soldaten bei gesundheitlichen Problemen. Er steht aber auch für andere medizinische Einsätze parat.

© privat

ASCHHEIM. Es hat auch etwas mit der Uniform zu tun. Das Gefühl, Teil eines großen Apparates zu sein – und dies durch die „Funktionsbekleidung“ zum Ausdruck zu bringen, sagt Dr. Daniel Pohl. Pohl meint damit seine andere, zweite Funktion.

Denn neben seinem Hauptberuf als Allgemeinarzt ist der 48-Jährige auch Reservist der Bundeswehr. Als solcher leistet er immer wieder als Flottillenarzt Dienst hinter dem Zaun der Münchener Sanitätsakademie. Und manchmal auch an Bord auf hoher See.

Pohl ist in Aschheim aufgewachsen, einem 7500-Einwohner-Dorf vor den östlichen Toren Münchens. Die Praxis ist seine Heimat. Sie besteht seit 40 Jahren. Bereits sein Vater hat hier als Allgemeinarzt gearbeitet.

Pohl selbst führt die Praxis seit nunmehr 16 Jahren. Er hat 1100 Scheine im Quartal. Für ihn ist das eine „gesunde Größe“, auch weil er mit seiner Einzelpraxis nicht mehr Patinten versorgen könnte.

Er kennt sie alle, ob alt oder jung. Er hat auch Einblick in viele familiäre Verhältnisse. Er weiß, was in seinem Ort los ist.

Anruf bei der Kasse

Pohl kennt auch das medizinische System. Er weiß, wie er das Bestmögliche für seine Patienten erreichen kann. Wenn eine Krankenkasse die Behandlung für einen Patienten verweigert, greift er zum Telefon und klärt die Dinge im direkten Gespräch mit der Versicherung. Er fragt dann: „Was brauchen sie von mir? Meistens funktioniert das dann“, sagt der Arzt.

Pohls Praxis wirkt freundlich. Erst kürzlich hat der Mediziner die Räume komplett renovieren lassen. Die offenen Holzbalken an der Decke strahlen Solidität und Moderne aus.

Zum Gerätepark zählen EKG, Sonografie, Lungenfunktions- und diverse Langzeitmessgeräte sowie ein breit ausgestattetes Labor. Der Blick nach hinten geht in einen großen Garten.

Sein Team besteht aus drei medizinischen Fachangestellten und einer ärztlichen Kollegin, die in Teilzeit bei ihm arbeitet. Er selbst ist immer vormittags anwesend, zweimal die Woche auch am Nachmittag, in der übrigen Zeit fährt er Hausbesuche.

Darüber hinaus kooperiert er mit der Technischen Universität München. Die schickt ihm regelmäßig Medizinstudenten, damit diese bei ihm ein zweiwöchiges Blockpraktikum oder Famulaturen absolvieren.

Pohl hat jetzt Bergfest. Er meint damit, dass die längste Zeit seines ärztlichen Daseins hinter ihm liegt. Vielleicht ist diese Feststellung auch ein Ausdruck einer Midlife-Krise, fügt er scherzhaft lächelnd hinzu. Etwa dreimal jährlich verabschiedet sich der Hausarzt für ein bis zwei Wochen und taucht ein in die andere Welt – die der Bundeswehr.

Eine Welt, in der klare Ansagen gemacht werden, in der auch er als Flottillenarzt – entsprechend dem Rang eines Oberstleutnants – zum Appell antreten muss und in der er als Vertretung für einen hauptberuflichen Bundeswehrarzt tätig ist.

Persönliche Auszeit auf Schiff

Es scheint Pohls persönliche Auszeit zu sein. Mal etwas anderes zu machen. „Ich habe vor fast zehn Jahren als Seiteneinsteiger damit begonnen“, berichtet er. Bei einem Besuch der Münchener Ernst-von-Bergmann-Kaserne fragte er, ob es auch möglich sei, als Reservist und Arzt auf einem Marineschiff tätig zu werden.

Das war es tatsächlich, sein Chef setzte sich für ihn ein. Ein Mittelmeereinsatz führte ihn 2016 in die Ägäis, als in der Hochphase der Flüchtlingswelle viele Syrer per Schlauchboot versuchten, eine griechische Insel zu erreichen. Pohl stand auf dem Schiff für medizinische Notfälle bereit.

Sein zweiter Einsatz führte ihn von Eckernförde über die Nordsee und durch die Biskaya ins Mittelmeer zwischen Lampedusa und Tunesien. Drei Wochen lang war er mit dem Schiff unterwegs. Nach dem Verabschiedungsappell im Hafen von Augusta auf Sizilien nahm er seinen Seesack und trat die Heimreise zu seinen Patienten an.

Doch meist verlaufen seine Reserveeinsätze unspektakulär. Dann kümmert er sich in Stabsfunktion darum, dass Kameraden medizinisch auf  Auslandseinsätze vorbereitet werden.

Die gute Kameradschaft gefällt ihm

Ihm gefällt, dass bei der Bundeswehr „eine gute Kameradschaft“ herrscht, dass er auf diese Weise Dienst an der Allgemeinheit tut und damit seinen Part zur Bündnisverteidigung leistet.

Und es schmeichelt ihm, Informationen zu militärischen Themen und fernen Ländern zu erhalten, die er im Zivilleben nicht bekäme.

Neben seinen Ausflügen zur Bundeswehr hat sich Pohl aber auch vertiefte Kenntnisse in der Reise- und Ernährungsmedizin angeeignet. Will einer seiner Patienten etwa nach Fernost reisen, gibt er ihm Impfempfehlungen und Ratschläge, welche medizinischen Produkte er oder sie im Gepäck haben sollte.

Als Ernährungsberater wendet er sich an Patienten, deren Erkrankung auch mit deren Essgewohnheiten zu tun hat. Durch eine Umstellung der Ernährung versucht er dann, den Gesundheitszustand zu verbessern.

Pohl spricht ruhig und entspannt, scheint in sich zu ruhen. Er lächelt gerne. Die Vielfältigkeit seines Berufes, das breite Krankheitsspektrum und die Menschen, die ihm im Behandlungszimmer gegenüber sitzen, geben ihm Zufriedenheit und Freude.

Erinnerungen an die Einsätze

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Er kennt seine Pappenheimer. Manchmal beginnen sie, über alles Mögliche zu reden, nur nicht über ihre Krankheit. Erst beim Hinausgehen, wenn sie bereits die Klinke in der Hand halten, drehen sie sich um: „Ach so, Herr Doktor, was ich noch sagen wollte: Seit einiger Zeit zieht es mir im Knie…“

Nach all den Jahren hat Pohl alles schon einmal gehört und gesehen. In seinem Behandlungszimmer hängen Erinnerungen an seine Einsätze bei der Bundeswehr und ein Foto des Schiffes, mit dem er von der Ostsee bis ins Mittelmeer gefahren ist.

Man spürt, dass diese Auszeiten an Bord etwas Besonderes für ihn waren. Er hat bereits sein Interesse für weitere Seeeinsätze angemeldet.

Und er hat sich überlegt, was er tun wird, wenn er seine Praxis eines Tages aufgibt und nicht mehr Reservist der Bundeswehr ist, in 15 Jahren vielleicht. „Dann möchte ich als Arzt auf einem Kreuzfahrtschiff arbeiten.“

Pohl ist optimistisch: So wie die Branche boomt, sollte es doch möglich sein, so einen Job zu bekommen.

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