Brustkrebs

Forscher fordern schlankere Dokumentation

Dokumentation kann aufwändig und teuer sein. Wie sehr das bei Brustkrebs der Fall ist, zeigen jetzt Forscher. Sie fordern schlankere Strukturen.

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Machen den Klinikalltag arbeitsreicher: Formulare, Formulare.

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© Mathias Ernert

BERLIN. Der Dokumentationsaufwand in der onkologischen Versorgung sollte deutlich verringert werden. Dazu sollten wenige, aber wirklich relevante Variablen für die Qualitätssicherung festgelegt und diese flächendeckend eingeführt werden.

Zu diesem Schluss kommt die Studie "Dokumentationsaufwand der Patientin mit Mammakarzinom" die das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) 2011 in Auftrag gegeben hat und deren Ergebnisse nun vorliegen.

Der Grund: Der zeitliche Gesamtaufwand der Dokumentation des vollständigen Behandlungsablaufs reichte in der Studie, an der acht Brustkrebszentren teilnahmen, von über elf Stunden im einzigen nicht zertifizierten Zentrum bis hin zu über 32 Stunden an einem Zentrum der teilnehmenden Unikliniken.

Die zweistufige Studie wurde unter der Leitung des Universitäts-Brustzentrums Franken an der Frauenklinik des Universitätsklinikums Erlangen durchgeführt.

Kostenunterschied von über 50 Prozent

Dabei haben zertifizierte Häuser laut Studie einen nachweislich höheren Dokumentationsaufwand. Die Studienautoren haben die verschiedenen Aufwände in Eurosätzen festgemacht, wobei sie die Kosten der Gesamtdokumentation ermittelt haben, bei der jeder Prozess allerdings nur einmalig gezählt wurde.

Die höchsten monetären Ressourcen mussten demnach die zertifizierten universitären Häuser für die Dokumentation aufwenden - und zwar 245 bis 288 Euro. Aus dieser Spanne falle lediglich die Frauenklinik des Universitätsklinikums Tübingen mit 164 Euro heraus. Das liege daran, dass die Klinik eine elektronische Patientinnenakte verwendet.

Bei den nicht-universitären Kliniken liegt der monetäre Ressourcenverbrauch für die Dokumentation hingegen bei 166 bis 179 Euro. Noch drastischer ist der Unterschied zu dem nicht-zertifizierten Zentrum Schwandorf, dieses kommt lediglich auf Ausgaben von 123 Euro für die Gesamtdokumentation.

Daran zeigt sich, dass die Zertifizierung mit einem höheren Dokumentationsaufwand einhergeht. Zudem müssen zertifizierte Zentren mindestens zehn Prozent aller Patientinnen innerhalb einer klinischen Studie betreuen, so die Studienautoren. Die hohen Kostensätze liegen aber auch daran, dass nach wie vor der größte Anteil der Dokumentation von den Ärzten gestemmt wird.

Dies trifft nach den Studiendaten auf 40 Prozent der gesamten Dokumentation zu. Schreibkräfte und Pflegekräfte seien mit elf bzw. zehn Prozent an der Dokumentation beteiligt.

Je nach Verlauf können laut der Studie insgesamt Dokumentationskosten zwischen 660,46 und 4134,92 Euro für eine Patientin entstehen. Dabei konnten 234 unterschiedliche Inhalte zu den verschiedenen Dokumentationszeitpunkten identifiziert werden, welche meist mehrfach dokumentiert werden.

Daten aus ambulantem Sektor fehlen

Neben weniger Variablen für die zeitintensive Qualitätssicherung schwebt den Studienautoren aber noch eine Lösung vor: Die sektor- und fachübergreifende Dokumention müsse gestärkt werden.

Denn 61,95 Prozent der Dokumentationszeitpunkte würden im Beispiel Brustkrebs im ambulanten Sektor stattfinden. Und das, obwohl der Großteil der Dokumentation eigentlich durch den stationären Sektor erfolge. Das Problem: Da die im ambulanten Bereich erhobenen Daten Kliniken oft nicht zur Verfügung stünden, würden Daten mehrfach dokumentiert.

Deshalb fordern die Autoren auch ein Investment in einen einheitlichen Datenpool und in eine Schnittstellenoptimierung der vorhandenen Dokumentationssysteme. "Es sollten einheitliche Systeme angestrebt werden, welche mit den notwendigen Datenbanken kompatibel sind, und serverbasiert für alle Behandlungspartner zur Verfügung stehen", schreiben die Studienautoren, "so dass jeder der zahlreichen Berufsgruppen und Fachbereiche ihre jeweilige Leistung für eine Patientin zentral dokumentieren können".

Schließlich zählt die Studie insgesamt 21 unterschiedliche Fachbereiche und 20 Berufsgruppen, die an der Dokumentation einer Patientin mit einem Mammakarzinom beteiligt sind.

Da die Studie im Rahmen des 2008 initiierten Nationalen Krebsplans durchgeführt wurde, werden die Ergebnisse auch in die Diskussionen der Arbeitsgruppe "Datensparsame einheitliche Tumordokumentation" einfließen, das zumindest verspricht das BMG.

Denn ein Ziel der Akteure im Nationalen Krebsplan ist es, gemeinsam und konsequent an einer datensparsamen einheitlichen Tumordokumentation zu arbeiten.Spannend ist auch, dass 60 Prozent des Dokumentationsaufwandes allein im Bereich der adjuvanten Therapie (Strahlentherapie und Systemtherapie) anfällt.

An zweiter Stelle folgt mit 14 Prozent der Bereich der Nachbetreuung. Wie zeitintensiv sind Tumorkonferenzen?Außerdem hat die Studie einige besonders zeitintensive Dokumentationsphasen im Prozessablauf identifiziert - die aber ebenfalls je nach Zentrum stark variieren: Der Prozess der interdisziplinären Tumorkonferenz ergibt laut Studie zum Beispiel bei Addition der präoperativen und postoperativen Tumorkonferenz in den universitären Zentren Düsseldorf, Erlangen und Ulm jeweils Werte von über 20 Minuten Dokumentationszeit.

Dabei werde in diesen Zentren pro Tumorkonferenz eine recht einheitliche Dokumentationszeit von ca. 10 Minuten pro Tumorkonferenz benötigt, heißt es. Dieser Wert weiche im nicht-universitären Zentrum Amberg sowie dem nicht zertifizierten Zentrum Schwandorf mit nur ca. 3 Minuten deutlich nach unten ab.

Dies lasse eventuell Rückschlüsse auf eine weniger aufwendige oder deutlich optimiertere Dokumentation in den nicht universitären Zentren zu. Als ebenfalls besonders zeitintensiv zeigte sich in der Erhebung die Dokumentation durch den Sozialdienst, zum Beispiel zur Beantragung von Rehabilitationsmaßnahmen mit entsprechender ausführlicher Befunddokumentation.

Die Dokumentationszeiten konnten an den Zentren Düsseldorf, Ulm und Amberg ausgewertet werden und lagen hier jeweils zwischen 20 und 30 Minuten.Ein einheitliches Bild gab es hingegen beim Prozess "Arztbrief Strahlentherapie": Hier lagen die Dokumentationszeiten in allen Zentren zwischen 20 und 30 Minuten. (reh)

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