Karlsruhe eilt ALS-Patienten effektiv zur Hilfe

KARLSRUHE (HL). Gerade bei schwerster Krankheit wie etwa ALS müssen Sozialgerichte von vornherein und zügig umfassend den Leistungsanspruch eines Patienten klären und dabei die Menschenwürde und das Recht auf Mobilität achten.

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Im Rechtsstreit um einen Spezialrollstuhl für eine ALS-Patienten hat das Bundesverfassungsgericht in einem gestern veröffentlichten Beschluss eine rasche Prüfung des Antrags durch das Sozialgericht angeordnet.

Der Sachverhalt: Die jetzt 48-jährige Patientin, die zu Hause lebt, hatte 2007 einen ärztlich verordneten Spezialrollstuhl mit elektronischer Mundsteuerung bei ihrer Kasse beantragt. Die Kasse veranlasste eine medizinisch-psychologische Begutachtung der Patientin durch den TÜV. Der TÜV kam zu dem Ergebnis, die Patientin sei nicht fahrtauglich im Straßenverkehr. Auf dieser Basis wies die Kasse die Versorgung ab.

Dagegen klagte die Patientin beim Sozialgericht und beantragte eine einstweilige Anordnung, mit der sie sofort den Rollstuhl zu bekommen hoffte. Diese einstweilige Anordnung lehnten das Sozialgericht und das Landessozialgericht im September und Dezember 2008 ab. Grund: Es seien erst einmal umfangreiche medizinische Ermittlungen nötig. Das LSG hielt es sogar für zweifelhaft, ob mit dem Bedürfnis nach Fortbewegung in der Wohnung überhaupt ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen sei.

Zu diesem Verhalten der Sozialgerichte bezog die 2. Kammer des Bundesverfassungsgerichts eine eindeutige Position: "Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundgesetzlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern." Sie dürfen also nicht bis zum Hauptsacheverfahren warten, dessen Ende die Patienten nicht mehr erlebt hätte.

Zu den Grundbedürfnissen gehöre auch Mobilität. Maßstab sei der gesunde Mensch. Konkret heißt das: "Bei einem unter ALS leidenden Menschen mit völligem Verlust der eigenen Mobilität ist der Zwang zum Verharren in einer Situation der Hilflosigkeit ... eine schwerwiegende Einschränkung, die seine Persönlichkeitsrechte berührt." (1 BvR 120/09)

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