Gericht: Arzt hat Todesfolgen nicht beabsichtigt

Weil er Patienten in einer Therapiesitzung Drogen verteilte und dadurch zwei Patienten starben, wurde ein Berliner Arzt jetzt zu einer Freiheitstrafe verurteilt. Doch nicht nur das, die Richter erteilten auch ein Niederlassungsverbot.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Der Arzt Garri R. (Mitte) wurde am Montag zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. © Robert Schlesinger / dpa

Der Arzt Garri R. (Mitte) wurde am Montag zu vier Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. © Robert Schlesinger / dpa

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BERLIN. Nach einer Therapiesitzung mit tödlichem Ende muss ein Berliner Arzt und Psychotherapeut mehrere Jahre ins Gefängnis. Wie mehrfach berichtet, hatte der 51-Jährige Ecstasy in Überdosis an seine Patienten verteilt. Das Landgericht Berlin verurteilte ihn am Montagnachmittag zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und neun Monaten.

Eigentlich sollten die Drogen die Patienten nur für ihre psychotherapeutische Gruppenbehandlung öffnen. Garri R., Allgemeinmediziner und Facharzt für Psychotherapie, hatte dafür schon mehrfach Drogen eingesetzt. Für den 19. September 2009 hatte er zwölf Patienten in seine Praxis im Berliner Stadtteil Hermsdorf geladen. Um sich selbst in Stimmung zu bringen, nahm er vorab von der Partydroge LSD; seinen Patienten bot er Ecstasy (MDMA) sowie Neocor (Methylon) an, um die "gemeinsame Reise" zu unterstützen. In welchem Umfang der Arzt über mögliche Folgen aufklärte, blieb umstritten. Nur drei Patienten lehnten ab, die anderen schluckten den Cocktail. Einschließlich Drogen zahlten die Patienten laut "tageszeitung" 100 Euro für die "psycholytische Sitzung".

Unter den Drogenkonsumenten war ein 59-jähriger Frührentner, ein trockener Alkoholiker. Gerade in seinem Fall war die Gabe der Drogen unverantwortlich, die Wirkung von Ecstasy ganz unabhängig von der Dosis unkalkulierbar, sagte später ein Gerichtsgutachter.

Doch das war nicht alles: Wie der Arzt vor Gericht erklärte, war ihm beim Abwiegen des Ecstasy ein Fehler passiert. Die Folgen waren dramatisch: Der 59-Jährige kollabierte, die Wiederbelebungsversuche des Arztes blieben ohne Erfolg. Ein 28-jähriger Student starb später im Krankenhaus, fünf weitere Patienten wurden aufgrund pathologischer Reaktionen verletzt, einer von ihnen kam nur knapp mit dem Leben davon.

Richter sprachen von Körperverletzung

Als "gefährliche Körperverletzung" wertete dies das Berliner Landgericht, in zwei Fällen "mit Todesfolge". Und in allen Fällen kam noch die "unerlaubte Abgabe von Betäubungsmitteln" hinzu. Aus alledem bildete das Gericht eine Gesamtstrafe von vier Jahren und neuen Monaten. Zudem darf der Arzt nie mehr niedergelassen tätig sein; eine Arbeit als angestellter Arzt können sich die Berliner Richter dagegen vorstellen. Demgegenüber hatte die Staatsanwaltschaft acht Jahre Haft und ein komplettes Berufsverbot gefordert.

Zur Begründung des Strafmaßes für den Arzt verwiesen die Berliner Richter auf die "erheblichen Folgen seines Handelns"; gleichzeitig zeigten sie sich aber überzeugt, "dass der Angeklagte die Folgen seiner Tat nicht beabsichtigte". Zudem verwies das Landgericht darauf, dass Garri R. "unbestraft ist und viele Jahre beanstandungsfrei als Arzt tätig war".

Das Niederlassungsverbot begründete das Landgericht damit, dass Garri R. auch für die Zukunft von seinen Behandlungsmethoden nicht abrücken wollte. Die tödliche Sitzung bezeichnete er vor Gericht als "tragisches Unglück". Auch mehrere Patienten hatten ihren Therapeuten in Schutz genommen.

Doch das Argument der Verteidigung, die Patienten seien erwachsene Menschen gewesen und hätten die Drogen in eigener Verantwortung genommen, wies das Landgericht deutlich zurück. Es bescheinigte dem Arzt die "Tatherrschaft": Sein Wissen sei dem der Patienten in jeder Hinsicht überlegen gewesen und er habe zumindest nicht ausreichend über Wirkung, Gefahren und Dosierung aufgeklärt.

Staatsanwaltschaft prüft, ob sie vor den BGH ziehen will

Die Staatsanwaltschaft will nun prüfen, ob sie das Urteil hinnehmen, oder Revision zum Bundesgerichtshof einlegen will. Denn gemessen an der Anklage, wonach der Arzt als "Verbrecher und Scharlatan" seine Patienten "als Versuchskaninchen" missbraucht haben soll, erscheint das Urteil sehr milde.

Auch die Verteidigung, die eine Haftstrafe von höchstens drei Jahren gefordert hatte, will eine Revision prüfen. Das könnte auch daran liegen, dass das Landgericht den Arzt bis zur Rechtskraft des Urteils "unter Anordnung strenger Auflagen" von der weiteren Untersuchungshaft verschont hat. So hat er nun Zeit, seine privaten Angelegenheiten für die Dauer des Gefängnisaufenthalts zu regeln.

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