Wie viel Ärzte nach der Scheidung an ihre Ex zahlen müssen, ist auch eine Sache für Gutachter. © Joachim Wendler / fotolia.com

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Folge 8

Trennung bedeutet nicht, einfach nur die Hälfte abzutreten

Die nacheheliche Versorgung ist im Zugewinnausgleich geregelt. In dessen Berechnung fließen Vermögen und Kosten ein.

Von Rudolf Haibach

Wenn ein Arzt sich trennt, überlässt er vieles dem Zufall. Das kann er sich nicht leisten. Er weiß es nur noch nicht. Er ahnt und verdrängt, dass er sich in höchster wirtschaftlicher Gefahr befindet. Unabhängig davon, dass es vermeintlich "nur ums Geld geht", geht es häufig auch um steuerlich zweifelhafte Verfahrensweisen aus der Vergangenheit, die ihn angreifbar machen, selbst wenn der Steuerberater "es so "empfohlen hat. Gleichwohl gilt es, die Angriffe nicht nur abzuwehren, sondern sofort eine eigene Positionen zu erarbeiten und durchzusetzen.

Beim Zugewinnausgleich geht es um Leben oder Tod

Im Zugewinnausgleichsverfahren geht es wirtschaftlich betrachtet oft um Leben oder Tod, zumal Banken nicht mehr so schnell wie früher den an die Ehefrau auszuzahlenden Zugewinnausgleichsbetrag finanzieren. Den wenigsten ist das bewusst. Hier wirkt es sich besonders verhängnisvoll aus, wenn anwaltlich ziel- und planlos, auch wirtschaftlich unerfahren gearbeitet wird. Es gilt daher - je nach Situation  - sachlich, rechtlich, strategisch, taktisch und auch im Timing perfekt vorzugehen.

Zunächst sollten die Anfangs- und Endvermögen jeweils beider Eheleute vom Anwalt rechnerisch bewertet und gegenübergestellt werden. Meist ist es ein mühsamer und steiniger, langer Weg, um diese Zahlen verlässlich zu ermitteln. Der Anwalt erfasst dazu die einzelnen Positionen und deren Werte zum Zeitpunkt der Eheschließung, zum Zeitpunkt der Trennung - deshalb ist es besonders wichtig, den genauen Trennungszeitpunkt zu erfassen - und zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags.

Zu den Positionen zählen bei Ärzten als geldwerte, rechtlich geschützte Positionen zumindest Aktien, Außenstände, Bargeldbestände, Sparguthaben und Bausparverträge, aktiv wie passiv, Beteiligungen an Praxisgemeinschaften, Substanzwerte sowie der Goodwill der Praxis, Immobilienvermögen, Lebensversicherungen und Verbindlichkeiten.

Stehen die Werte endgültig fest, muss der Ehegatte, der während der Ehezeit ein höheres Vermögen erwirtschaftet hat, an den Ehegatten, der ein geringeres Vermögen erwirtschaftet hat, die Hälfte der Differenz zahlen.

Manche dieser Werte lassen sich einfach ermitteln, bei anderen ist es umso schwieriger. Einfach ist es bei Aktien oder Bankverbindlichkeiten, extrem schwierig ist die Bewertung der Praxis mit Substanzwert und insbesondere dem Goodwill.

Anwälte greifen auf weitere Sachverständige zurück

Gerade in diesem Bereich arbeitet der erfahrene Anwalt mit einem hoch qualifizierten Sachverständigen zusammen, von denen es in der Bundesrepublik nur sehr wenige gibt. Arzt, Anwalt und Sachverständiger sollten daher vorsorglich den Gesamtwert der Praxis nach allen nur denkbaren Kriterien - mit Grenzwerten nach oben und unten - gemeinsam ermitteln, um sich dann konsequent strategisch und taktisch aufzustellen.

Selbst viele Anwälte unterliegen hier der Illusion mathematischer Korrektheit, sie lassen alles unkritisch auf einem vereinfachten Fiktivwert beruhen, lassen darüber hinaus die Dinge zu allem Übel auch noch auf sich und ihren Mandanten zukommen.

Das kann es nicht sein. Es gilt zu agieren. Agieren heißt: planen und durchsetzen, alle Ressourcen heben, um die Werte zu reduzieren - managen eben.

Agieren bedeutet aber nicht, dass ein Scheidungskrieg geführt werden muss, dass das Verfahren vor Gericht enden muss, man sollte aber unbedingt vor Gesprächen mit der Gegenseite wissen, wo man wirtschaftlich steht oder stünde, wäre ein cleverer Anwalt auf der Gegenseite.

Das bedeutet, dass der Anwalt mit dem Arzt nicht nur alle wertbildenden Faktoren des gesamten Vermögens erfasst und dabei auch die Praxis mit jeweils unterschiedlichen Werten (best case / worst case) fiktiv in die Berechnung einbezieht. Nichts darf dem Zufall überlassen werden - auch nicht Strategie und Taktik.

Die Aufgabe des Anwaltes als Architekt des Scheidungsverfahrens ist es, für den Arzt eine optimale strategische Positionierung zu erarbeiten. Denn hier und zu diesem Zeitpunkt kann man noch agieren. Später kann man nur noch reagieren.

Grundsätzlich sollte man im Bereich eines Zugewinnausgleichsverfahrens vermeiden, Verfahren vor Gericht zu führen, sie verursachen ein überproportional hohes Risiko hinsichtlich der Kosten und hinsichtlich des Ausgangs des gerichtlichen Verfahrens. Zumal häufig zwei Gerichtsinstanzen angerufen werden, in denen mehrere Sachverständige ihre voraussichtlich unterschiedliche Auffassung zum Wert der Praxis mitteilen.

Auch bei Gericht trifft man nicht immer auf Sachkunde

Sie können dabei nicht erwarten, dass das Gericht eigene Sachkunde hat - deshalb bedient es sich ja des Sachverständigen. Ein Beispiel:

Die Eheleute haben 1990 geheiratet, die Ehe wird im Kalenderjahr 2010 geschieden. Das Arztehepaar hat ein Haus im Wert von 500 000 Euro. Dem Ehemann gehört die eine Hälfte des Hauses, der Ehefrau die andere Hälfte.

Der Ehemann hat kein Vermögen in die Ehe eingebracht, die Ehefrau hat 100 000 Euro als Mitgift eingebracht. Sonstiges Vermögen gibt es nicht.

Das Haus ist belastet mit Bankverbindlichkeiten in Höhe von noch insgesamt 250 000 Euro, für die die Ehefrau hälftig mithaftet. Die Praxis hat einen Wert von 300 000 Euro. Sie gehört dem Arzt allein. Das Praxiskonto ist mit 30 000 Euro im Soll.

Aus vorstehendem Beispiel ergibt sich, dass von dem Ehemann ein Ausgleichsbetrag in Höhe von überschlägig 197 500 Euro an die Ehefrau zu zahlen wäre. Dabei ist das Schicksal der Immobilie noch ungeklärt. Spätestens hier werden betroffene Paare merken, wie wichtig professionelles Vorgehen ist.

Glossar

Endvermögen: Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrages. Anfangsvermögen: Vermögenswerte zum Zeitpunkt der Eheschließung. Zuerwerbsvermögen: Vermögen, das ein Ehegatte während der Ehe durch einen Dritten im Wege einer Schenkung oder Erbschaft erworben hat. Zugewinn: Vermögenszuwachs während der Ehe. Goodwill: Ideeller Praxiswert. Substanzwert: Die Einrichtung der Praxis.

Bei der abschließenden Berechnung des Zugewinnausgleichs der Ehegatten in der linken Tabelle rechnet der Anwalt die Summe aus, die der Versorger dem zu versorgenden Ex-Partner nach der Scheidung zu zahlen hat - als Basis für das Gericht. Um den Zugewinnausgleich berechnen zu können, müssen - wie in der Tabelle dargelegt - die einzelnen Vermögenspositionen und Belastungssituationen berechnet werden. Für die Mitgift wird ein inflationsbereinigter Realwert ermittelt.

Haibach Rechtsanwälte, Fachanwälte für Familienrecht, Giessen und Frankfurt, www.haibach.com

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