Regress: Organisationsmängel der Kasse hemmen Verjährung

Die Verjährungsfrist für Regressansprüche bei Arzthaftungsfällen läuft erst, wenn ein zuständiger Behördenmitarbeiter Kenntnis davon bekommen hat, urteilte der Bundesgerichtshof.

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Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe.

© Sigi Schritt/Panthermedia

KARLSRUHE (mwo). Die schlechte Zusammenarbeit verschiedener Abteilungen kann einer Krankenkasse weiterhin nützen. Denn sie hemmt gegebenenfalls die Verjährung von Regressansprüchen gegen Ärzte und Kliniken, wie der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt entschied.

Entscheidend für den Beginn der dreijährigen Verjährungsfrist ist danach weiterhin die Kenntnis durch die Regressabteilung.

Schadenersatz- und Regressansprüche verjähren drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Betreffende Kenntnis von dem Schaden erlangt hat. Für Behörden gilt, dass ein zuständiger Mitarbeiter Kenntnis von dem Schaden erlangt haben muss.

Streitfall um Schadenersatz und Schmerzensgeld für schwer behindertes Kind

Nach einer 2002 in Kraft getretenen Gesetzesänderung beginnt die Verjährung auch dann, wenn der Geschädigte ohne eigenes grob fahrlässiges Verhalten Kenntnis von der Sache hätte haben müssen.

Wie hierzu nun der BGH entschied, führt die Gesetzesänderung nicht zu höheren Organisationsanforderungen an die Krankenkassen.

Vielmehr gilt weiterhin die frühere Rechtsprechung zum alten Recht, wonach die Verjährungsfrist erst beginnt, wenn die zuständige Regressabteilung der Kasse von den möglichen Ansprüchen erfährt.

Im Streitfall führten ärztliche Fehler in einer Klinik in Berlin zu Sauerstoffmangel bei der Geburt eines Kindes. Der 1993 geborene Junge ist daher schwer behindert. 2005 sprach ihm das Kammergericht Berlin Schadenersatz und Schmerzensgeld zu.

2006 forderte die Kasse des Jungen die Klinik auch zum Ersatz der Behandlungskosten auf. Als die Klinik sich weigerte, zog die Kasse 2007 vor Gericht. Hier meinte das Berliner Kammergericht allerdings, die Ansprüche seien verjährt.

Nicht zu Nachforschungen verpflichtet

Die Leistungsabteilung der Krankenkasse habe es grob fahrlässig unterlassen, den Fall der Regressabteilung zur Kenntnis zu geben. Denn schon aus dem Krankheitsbild des Neugeborenen sei erkennbar gewesen, dass ein ärztlicher Fehler vorgelegen haben kann.

Doch auch nach neuem Recht komme es weiterhin nur auf die Kenntnis durch die Regressabteilung an, urteilte der BGH. Auch wenn die fehlende Kenntnis auf unzureichenden Informationen der Leistungsabteilung beruhe, sei dies "grundsätzlich unerheblich".

In Arzthaftungsfällen sei zu bedenken, dass Patienten die Gründe für einen unzureichenden Behandlungserfolg in der Regel nicht abschätzen können. Sie seien auch nicht verpflichtet, möglichst frühzeitig entsprechende Nachforschungen anzustellen.

Entsprechend könnten auch von seiner Krankenkasse solche Nachforschungen nicht verlangt werden, heißt es in dem Urteil.

Az.: VI ZR 9/09

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