Haftung

Hygienemängel bringen Ärzte in die Bredouille

Die umfassende Dokumentation der Behandlung von Patienten in der Praxis ist das A und O, wie sich niedergelassene Ärzte für Haftungsprozesse wappnen können.

Von Eugenie Wulfert Veröffentlicht:
Händedesinfektion - für Ärzte unerlässlich.

Händedesinfektion - für Ärzte unerlässlich.

© Volker Witt / fotolia.com

BERLIN. Weicht ein Arzt von den geltenden Hygienevorschriften ab, kann er in einem Arzthaftungsprozess in Beweisnot geraten.

"Hier bewegen wir uns in der Kategorie des voll beherrschbaren Risikobereichs", erklärte Wolfgang Frahm, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht (OLG) in Schleswig, beim 13. Deutschen Medizinrechtstag in Berlin.

Sobald die Gesundheitsschädigung aus dem Bereich stamme, dessen Gefahren ein Arzt durch sachgerechte Organisation voll beherrschen oder ausschließen konnte und musste, komme dem Patienten eine enorme Beweiserleichterung zugute.

Dann müsse der betroffene Arzt beweisen, dass sein Abweichen nicht fehlerhaft war, etwa weil sein Vorgehen neuen rein wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprach oder weil der konkrete Fall ein Abweichen von den Leitlinien erforderte - beispielsweise wegen weiteren Erkrankungen des Patienten oder der besonderen, von den üblichen Fällen abweichenden Art seiner Verletzung.

"Das zu beweisen ist oft sehr schwierig und führt in vielen Fällen zum Unterliegen im Prozess", warnt Frahm. Die Aufdeckung der Hygienemängel führe deshalb fast automatisch zur Haftung des Arztes oder der Klinik.

25.000 Euro Schmerzensgeld

Ein allzu laxer Umgang mit Hygienevorschriften kann teuer werden. So hat der Bundesgerichtshof (BGH) einen Arzt wegen gravierender hygienischer Mängel in der Arztpraxis zur Zahlung von 25.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt und damit das Strafmaß der Vorinstanz bestätigt (Az.: VI ZR 158/06).

Der Patient hatte geklagt, weil nach einer Injektion ein Spritzenabszess (Staphylokokken-Infektion) entstanden ist. Eine der Arzthelferinnen - stark erkältet - war Trägerin der Staphylokokken. Der Arzt haftete.

Auch die Verletzung der im Infektionsschutzgesetz normierten Aufzeichnungs- und Dokumentationspflichten können nach Angaben von Frahm erhebliche Prozessnachteile für den Arzt nach sich ziehen.

"Wenn bei einer unzureichenden Dokumentation - auch bezogen auf die konkrete ärztliche Behandlung - Versäumnisse vorliegen, dann hat das Gericht davon auszugehen, dass das, vielleicht versehentlich, Nicht-Dokumentierte auch nicht geschehen ist", erläutert der Richter des Bundesgerichtshofes.

Auch hier könne ein ärztlicher Fehler unterstellt werden. Es sei denn, der Arzt kann sich hieb- und stichfest entlasten. "Ohne einwandfreie Dokumentation ist es aber sehr schwierig", gibt er für die Praxis zu bedenken.

Studie: Schlechte Zeugnisse für Praxishygiene

Trotz der Beweiserleichterungen für Patienten: Wenn der Arzt alle Hygiene- und Dokumentationsvorschriften einhält, ist dem Patienten mit der Behauptung, es liege ein Hygienefehler vor, nach Angaben von Frahm in der Regel kein prozessualer Erfolg beschieden.

"Denn absolute Keimfreiheit ist nicht zu erreichen." Keimübertragungen gehörten dann grundsätzlich zum entschädigungslos hinzunehmenden Risiko des Patienten.

Dass nicht nur in Krankenhäusern, sondern auch in den Arztpraxen in der Hygiene Handlungsbedarf besteht, zeige eine im Mai veröffentlichte Studie der Stiftung Gesundheit.

Darin bescheinigen rund 30 Prozent der niedergelassenen Ärzte und Zahnärzte ihren Praxen ein nur mittelmäßiges bis schlechtes Hygieneniveau.

Mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmer sahen damals dennoch weder einen Weiterbildungs- noch sonstigen Handlungsbedarf.

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