Probearbeiten

Kostenlose Kennenlernphase nicht immer rechtens

Muss Probearbeiten vergütet werden oder nicht? Nicht immer, so Arbeitsrechtsexpertin Heike Jablonsky. In ihrem Gastbeitrag zeigt sie auf, in welchen Fällen Geld bezahlt werden muss.

Von Heike Jablonsky Veröffentlicht:
Probearbeit ist in Arztpraxen auch gängige Praxis: Je nachdem, wie diese Probearbeit ausgestaltet ist, kann sich eine Vergütungspflicht ergeben.

Probearbeit ist in Arztpraxen auch gängige Praxis: Je nachdem, wie diese Probearbeit ausgestaltet ist, kann sich eine Vergütungspflicht ergeben.

© Tobias Hase / dpa

CELLE. Gutes, qualifiziertes Personal zu finden ist nicht ganz einfach. Zeugnisse sind wenig aussagefähig, müssen sie doch wohlwollend formuliert und dem beruflichen Fortkommen dienlich sein.

Um die Fähigkeiten zukünftiger Mitarbeiter besser einschätzen zu können, greifen deshalb auch viele Arztpraxen auf "Probearbeit" zurück. Je nachdem, wie diese Probearbeit rechtlich ausgestaltet ist, kann sich hieraus eine Vergütungspflicht für den Praxisinhaber ergeben.

Krankenschwester erhält Recht

So hat das Arbeitsgericht Weiden einer Krankenschwester mit mehrjähriger Berufserfahrung, die sich auf eine Stelle als Pflegekraft in einem Altenheim beworben hatte und dort an zwei Tagen insgesamt 16 Stunden arbeitete, eine Vergütung von 146,24 brutto zuerkannt (Arbeitsgericht Weiden 1 Ca 64/08 C).

Im zugrunde liegenden Fall wollte der Arbeitgeber sich von der Qualifikation der Bewerberin überzeugen. Er vereinbarte deshalb eine zweitägige Probetätigkeit, unter Hinweis darauf, dass dafür keine Vergütung gezahlt wird.

Dem stimmte die Bewerberin auch ausdrücklich zu. Nachdem sie die Stelle nicht erhalten hatte, klagte sie auf Vergütung und bekam Recht.

Keine Arbeitspflichten - keine Vergütung

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass geleistete Arbeit gemäß den Paragrafen 611, 612 BGB zu vergüten ist. Abweichend davon besteht im Rahmen der Vertragsfreiheit aber die Möglichkeit, einen Vergütungsanspruch auszuschließen.

Er kann beispielsweise entfallen, wenn dem künftigen Mitarbeiter die Möglichkeit eröffnet werden soll, die betrieblichen Gegebenheiten kennenzulernen, um sich einen Überblick zu verschaffen.

Voraussetzung für die unbezahlte Kennenlernphase ist dann jedoch, dass der potenzielle Mitarbeiter nicht in den Praxisbetrieb eingegliedert ist und keine Pflichten hat, insbesondere keine Arbeitspflichten.

Anders stellt sich die Rechtslage dar, wenn die Praxis den Bewerber für eine Stelle erproben möchte. In diesem Fall ist er in der Regel in den Betriebsablauf eingegliedert und Arbeitsweisungen unterworfen.

Dadurch wird ein Arbeitsverhältnis mit der Verpflichtung zur Entgeltzahlung begründet. Dem steht auch nicht die zwischen den Parteien vereinbarte Unentgeltlichkeit entgegen. Solche Vereinbarungen sind gewöhnlich vom Arbeitgeber vorgegeben.

Keine Vergütungsverpflichtung bei Hartz IV-Beziehern

Ein Verhandlungsgleichgewicht ist für denjenigen, der sich auf eine Stelle bewirbt, meist nicht gegeben. Denn ein Mitarbeiter, der Arbeit sucht, ist meist darauf angewiesen, seinen Lebensunterhalt durch seine Arbeitskraft zu bestreiten.

Die sich daraus ergebende Notwendigkeit, Arbeit zu finden, begründet ein starkes Übergewicht des möglichen Arbeitgebers. Ihm wird zwar ein berechtigtes Interesse an der Erprobung zugestanden.

Nicht gerechtfertigt ist es jedoch nach Ansicht des Arbeitsgerichtes, das wirtschaftliche Risiko der Erprobung insgesamt auf zukünftige Mitarbeiter abzuwälzen, mit der Folge, dass Unentgeltlichkeitsregelungen keinen Bestand haben.

Beziehen Bewerber allerdings Arbeitslosengeld oder ähnliche Leistungen von der Agentur für Arbeit, erhalten sie auch während des Probearbeitsverhältnisses nach Absprache weiter diese Leistungen. Dann besteht für den Arbeitgeber keine Vergütungsverpflichtung.

Heike Jablonsky ist Fachanwältin für Arbeits- und Medizinrecht in Celle (www.ra-jablonsky.de).

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