Bundessozialgericht

Aufgabenbezogene Verwaltungsgebühren der KV erlaubt

Weil Ärzte keine Leistungsempfänger im sozialrechtlichen Sinne sind, gilt für sie auch nicht die Gebührenfreiheit sozialrechtlicher Verfahren, wenn es zum Streit mit der KV kommt.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Das Bundessozialgericht stärkte die ärztliche Selbstverwaltung.

Das Bundessozialgericht stärkte die ärztliche Selbstverwaltung.

© Bernd Schoelzchen / dpa

KASSEL.100 Euro für einen erfolglosen Widerspruch bei der KV? Das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom Februar dieses Jahres hat in der Ärzteschaft für Aufsehen gesorgt. Jetzt liegt die schriftliche Begründung vor.

Darin wird, deutlicher als in der knappen mündlichen Urteilsbegründung, ersichtlich, worum es den Richtern geht: nicht um die Billigung von Abzockerei, sondern um Stärkung der ärztlichen Selbstverwaltung.

Frauenärztin klagt gegen KV Bayerns

Der Fall: Eine Frauenärztin aus dem Raum München war mit ihrem Honorarbescheid für das Quartal II/2005 nicht einverstanden.

Die KV Bayerns wies nicht nur ihren Widerspruch ab, sondern schickte gleich noch eine Rechnung über 100 Euro mit. Die Verwaltungsgebühr werde satzungsgemäß für den erfolglosen Widerspruch fällig.

Die Ärztin klagte. Laut Gesetz seien sozialrechtliche Verfahren kostenfrei. Zudem gefährde die Gebühr das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Doch die Klage blieb durch alle drei Instanzen hindurch ohne Erfolg.

Dabei begründet zuletzt das BSG sein Urteil in zwei Richtungen: Zum einen greife die Argumentation der Frauenärztin nicht. Zum zweiten gelte das Recht der ärztlichen Selbstverwaltung.

Zwar dürfen laut Sozialgesetzbuch X die Behörden in sozialrechtlichen Verfahren keine Gebühren und Auslagen erheben; und als Behörden gelten laut bisheriger BSG-Rechtsprechung auch die KVen.

Doch nach einem weiteren Paragrafen gelte diese Grundregel nur, soweit das Gesetz keine Ausnahmen vorsieht, befand nun das BSG. Und solche Ausnahmen gerade für Ärzte zählt das Kasseler Urteil gleich mehrfach auf. Gebühren gebe es etwa für die Zulassung oder bei Disziplinarmaßnahmen gegen Ärzte.

Ebenso würden Fristüberschreitungen bei der Honorarabrechnung mit einem Abschlag bestraft, der den durch die Verspätung entstehenden Mehraufwand abgelten soll. Und seit 2002 gilt eine Gesetzesklausel, wonach bei vertragsärztlichen Streitsachen Gerichtsgebühren fällig werden.

"Eher Nähe zum allgemeinen Verwaltungsrecht"

Recht und Gesetz

Das Urteil des Bundessozialgerichts wurde am 23. Mai 2012 veröffentlicht. Az.: B 6 KA 2/12.

Und so steht es im Gesetz: Paragraf 64 Absatz 1, Satz 1 Sozialgesetzbuch X: „Für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch werden keine Gebühren und Auslagen erhoben“.

Paragraf 81 Absatz 1, Satz 1 Nummer 5 Sozialgesetzbuch V: „Die Satzung muss insbesondere Bestimmungen enthalten über (…) Aufbringung und Verwaltung der Mittel“.

Eine solche Ausnahmevorschrift sieht das BSG auch in den gesetzlichen Regelungen zu den KVen. Diese sollen danach "Aufbringung und Verwaltung der Mittel" in der Satzung regeln.

Dabei umfasse das Wort "Mittel" eben nicht nur Umlagen oder Beiträge, sondern sei eine "Ermächtigungsgrundlage" auch für Gebühren.

Die ärztliche Selbstverwaltung bekomme hier bewusst einen Gestaltungsspielraum ohne konkrete gesetzliche Vorgaben, so das BSG.

Die Situation der Ärzte unterscheide sich deutlich vom Bereich der Sozialleistungen, "bei denen traditionell von einer besonderen Schutzwürdigkeit der Anspruchsteller beziehungsweise Leistungsempfänger" auszugehen sei.

Vielmehr bestehe "eher eine Nähe zum allgemeinen Verwaltungsrecht", das ebenfalls eine Vielzahl von Gebühren vorsehe.

Deutlich betont das BSG die Satzungsautonomie der KVen, unterstreicht aber gleichzeitig auch deren Grenzen. Demnach muss es dabei bleiben, dass große und finanzstarke Arztpraxen durch einen umsatzbezogenen Beitrag stärker zur Kasse gebeten werden als kleine Praxen.

Gebühren dürften diese Beiträge "lediglich für besondere Aufgabenbereiche ergänzen, aber nicht im originären Aufgabenbereich ersetzen".

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Gebühr mit Placet der Ärzte

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