Erster Prozess

Göttinger Chirurg ab 19. August vor Gericht

Der erste Prozess im deutschen Transplant-Skandal steht kurz bevor: Ab Mitte August muss sich der ehemalige Göttinger Leberspezialist vor Gericht verantworten. Ihm drohen mindestens drei Jahre Haft und Berufsverbot.

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Lebertransplantation: Für den ehemaligen Transplant-Chef in Göttingen kommt es jetzt zum Prozess.

Lebertransplantation: Für den ehemaligen Transplant-Chef in Göttingen kommt es jetzt zum Prozess.

© Julian Stratenschulte / dpa

GÖTTINGEN. Rund ein Jahr nach Bekanntwerden des bundesweiten Transplantationsskandals muss sich jetzt erstmals ein Mediziner vor Gericht verantworten.

Das Landgericht Göttingen hat das Hauptverfahren gegen den früheren Leiter der Göttinger Transplantationschirurgie eröffnet und die Anklage der Staatsanwaltschaft Braunschweig zur Hauptverhandlung zugelassen.

Der Prozess werde am Montag, 19. August, beginnen, teilte eine Gerichtssprecherin am Dienstag mit. Der 46-jährige Mediziner wird sich vor dem Schwurgericht wegen versuchten Totschlages in elf Fällen sowie Körperverletzung mit Todesfolge in drei Fällen verantworten müssen.

Zunächst hat das Gericht 22 Verhandlungstage festgesetzt. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Arzt mindestens drei Jahre Haft. Außerdem droht ihm ein Berufsverbot.

Laut Anklage soll der Chirurg während seiner dreijährigen Tätigkeit am Göttinger Uni-Klinikum in elf Fällen fälschlicherweise Patienten als dialysepflichtig an die Vergabestelle von Spenderorganen "Eurotransplant" gemeldet haben.

Durch diese Manipulationen seien die Patienten auf der Warteliste für eine Spenderleber so weit nach oben gerückt, dass ihnen innerhalb kürzester Zeit ein Spenderorgan zugewiesen wurde.

Jetzt müssen die Medizingutachter ran

Die Staatsanwaltschaft wertet diese Fälle als versuchten Totschlag, weil dadurch andere Patienten, die lebensbedrohlicher erkrankt waren, kein Spenderorgan erhielten und möglicherweise aus diesem Grund verstarben.

Außerdem soll der Mediziner fahrlässig den Tod eigener Patienten herbeigeführt haben. Laut Anklage soll er drei Patienten eine neue Leber eingepflanzt haben, obwohl diese nicht so lebensgefährlich erkrankt gewesen seien, dass eine Transplantation erforderlich gewesen wäre.

Außerdem hätten medizinische Befunde gegen einen solchen Eingriff gesprochen. Die Operationen hätten letztlich zum Tod der Patienten geführt.

Das Göttinger Klinikum hatte sich nach Bekanntwerden der Vorwürfe von dem Mediziner getrennt. Im Januar wurde er wegen Fluchtgefahr festgenommen und sitzt seitdem in Untersuchungshaft.

Auch die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelt gegen den Göttinger Chirurgen. Dieser war von 2003 bis 2008 Oberarzt an der Uni-Klinik Regensburg gewesen. Auch dort soll er in 43 Fällen Daten von Patienten manipuliert haben, um ihnen bevorzugt zu einer Spenderleber zu verhelfen.

Der Schlussbericht zu den polizeilichen Ermittlungen liege inzwischen vor, teilte ein Sprecher mit. Jetzt werde die Staatsanwaltschaft ein medizinisches Expertengutachten in Auftrag geben. Das Ergebnis werde frühestens im Herbst vorliegen. (pid)

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