Apothekenrechenzentren

Datenhandel mit Rezepten?

Der Vorwurf wiegt schwer: Verkaufen Apothekenrechenzentren nur unzureichend anonymisierte Daten aus Kassenrezepten? Datenschützer sprechen von einem der größten Skandale der Nachkriegszeit.

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Hort voller Daten: Wie steht es um die Sicherheit?

Hort voller Daten: Wie steht es um die Sicherheit?

© PR / imago

NEU-ISENBURG. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" sind deutsche Apothekenrechenzentren wegen der Weitergabe von unzureichend verschlüsselten Rezeptdaten an den weltweit agierenden Datenhändler IMS Health in die Kritik geraten.

Laut "Spiegel" spricht der Landesdatenschützer Thilo Weichert aus Kiel von einem "der größten Datenskandalen der Nachkriegszeit".

Mit den Daten seien viele Patientenkarrieren bis 1992 zurück zu verfolgen, heiße es in einem internen Papier von IMS Health, so der "Spiegel". Das Unternehmen verkaufe die Daten an die Pharmaindustrie, die sie fürs Marketing nutzen.

Grundsätzlich ist der Handel mit Rezeptdaten legal, solange die Daten verschlüsselt weitergegeben und verwendet werden. Für die Pharmaindustrie bergen selbst anonymisierte und verschlüsselte Datensätze Informationen, die sich für die Marktforschung verwenden lassen.

Verschreibungsverhalten kontrollieren

Bei der Lieferung von Rezeptdaten an IMS werde die Identität der Patienten lediglich durch einen 64-stelligen Code verschleiert, der sich leicht auf die tatsächliche Versichertennummer zurückrechnen lasse, schreibt der "Spiegel" unter Berufung auf vertrauliche Dokumente.

Mit den unzureichend verschlüsselten Daten könnten die Pharmaunternehmen, die die Daten bei IMS kauften, möglicherweise nachvollziehen, welche Ärzte welche Medikamente verschrieben haben.

Mit solchen Informationen könnte die Industrie zum Beispiel die Arbeit der Außendienstmitarbeiter kontrollieren und nachvollziehen, ob ein Arzt nach dem Besuch eines Pharmavertreters häufiger Medikamente eines bestimmten Herstellers verschreibt.

IMS Health war am Wochenende nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Laut "Spiegel" verteidigt sich IMS Health gegen die Kritik: "Zu keiner Zeit sei ein Rückschluss auf einzelne Ärzte oder einzelne Patienten möglich". (ger)

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