Gastbeitrag

Ärzten ist nicht jede Beteiligung untersagt

Investieren Ärzte in Betriebe anderer Leistungserbringer im Gesundheitswesen, hat das immer einen faden Beigeschmack. Doch auch wenn einzelne Ärzte an den Pranger gestellt werden: Ärzten ist noch lange nicht jede Beteiligung untersagt.

Von Tobias Scholl-Eickmann Veröffentlicht:
Ist ein Orthopäde am Gewinn einer Physiotherapiepraxis beteiligt, ist das nur dann problematisch, wenn er auch als Zuweiser für die Praxis fungiert.

Ist ein Orthopäde am Gewinn einer Physiotherapiepraxis beteiligt, ist das nur dann problematisch, wenn er auch als Zuweiser für die Praxis fungiert.

© Tatjana Balzer / fotolia.com

NEU-ISENBURG. "Ärzte unter Verdacht"- so strahlte die ARD vor Kurzem in der Sendung "Kontraste" einen Beitrag über die Beteiligung von Orthopäden an Physiotherapiepraxen aus. Besser zugetroffen hätte wohl der Titel "Ärzte unter Generalverdacht".

Anlass der Berichterstattung war maßgeblich das Ergebnis von Ermittlungen der Krankenkasse KKH, wonach Orthopäden in Einzelfällen in - so die Wertung der KKH - unzulässiger Weise an Gewinnen von Physiotherapiepraxen partizipiert haben sollen.

In dem Beitrag wird für den Zuschauer der Eindruck erweckt, dass Ärzten sämtliche Beteiligungsformen an sonstigen Unternehmen im Bereich der Gesundheitsbranche versagt sind.

Doch dem ist nicht so. Es kommt vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung der Beteiligung im Einzelfall und das konkrete Verhalten des verordnenden Arztes an.

Nur so kann zwischen dem Interesse des Patienten an einer den medizinischen Erfordernissen entsprechenden Versorgung und dem verfassungsrechtlich geschützten Interesse des Arztes an Gewinnerzielung - auch aus Unternehmensbeteiligungen - hinreichend Rechnung getragen werden.

In den vergangenen Jahren wurden in Literatur und Rechtsprechung verschiedenste Beteiligungsmodelle teils zu Recht, teils zu Unrecht als juristisch fragwürdig und dem Wohl des Patienten entgegenstehend diskutiert.

Exemplarisch für die Breite der diskutieren Fallgestaltungen seien nur die Beteiligungen von HNO-Ärzten an Hörgeräteakustikbetrieben, von Augenärzten an Optikfachgeschäften, von Orthopäden an Physiotherapiepraxen oder der Erwerb von Aktien eines Pharmaherstellers durch Ärzte genannt.

Versorgungsstrukturgesetz machte manches Beteiligungsmodell zur "unzulässigen Zuwendung"

Dass Beteiligungsmodelle jüngst wieder in den Fokus gerückt sind, ist nicht zuletzt auf die Änderung von § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V durch das GKV-Versorgungsstrukturgesetz zurückzuführen.

Danach sind unzulässige Zuwendungen an Ärzte auch Einkünfte aus Beteiligungen an Unternehmen von Leistungserbringern, die Ärzte über ihr Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten selbst maßgeblich beeinflussen.

Seit Inkrafttreten dieser Regelung werden die praktischen Auswirkungen kontrovers diskutiert. Einige Vertreter halten jede Form der Beteiligung für unzulässig, auf die Verhaltensweise des Arztes soll es demnach gar nicht mehr ankommen.

Dieser sehr extensiven Auslegung der Norm stehen jedoch gewichtige Argumente gegenüber: Zunächst hat der Gesetzgeber bewusst nicht die Verordnung oder Zuweisung an sich als Anknüpfungspunkt für eine unzulässige Zuwendung benannt, sondern fordert ein darüber hinausgehendes "Verordnungs- oder Zuweisungsverhalten".

Entscheidend ist das Zuweisungsverhalten

Dies ist konsequent mit Blick auf den verfolgten Schutzzweck, nämlich die Wahlfreiheit des Patienten zu wahren.

Da Verordnungen in Bezug auf den konkreten Leistungserbringer neutral sind, ist nicht einzusehen, warum jede Form einer ärztlichen Beteiligung unzulässig sein soll, sofern der Arzt keinen Einfluss auf die Entscheidung des Patienten nimmt, welcher konkrete Leistungserbringer beispielsweise eine verordnete Physiotherapie erbringen soll.

Ob die bloße räumliche Nähe einer Physiotherapiepraxis - etwa im Geschoss unter einer Orthopädiepraxis - geeignet ist, per se einen Verstoß gegen § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V zu begründen, ist daher zumindest fraglich.

Kritisch dürften hingegen Fälle sein, in denen der Arzt einem Patienten einen konkreten Leistungserbringer empfiehlt, an dessen Gewinnen er partizipiert. Allerdings ist auch in dieser Variante zu berücksichtigen, dass der Arzt schon aufgrund des Behandlungsvertrages verpflichtet ist, dem Patienten auf dessen Nachfrage hin Auskunft zu erteilen.

Welche Anforderungen an eine solche Auskunft auf Nachfrage zu stellen sind, ist rechtlich nicht abschließend geklärt. Der Bundesgerichtshof betont jedoch in seiner maßgeblichen Entscheidung vom 13.01.2011 (Az.: I ZR 111/08) insoweit: "Erbittet der Patient die Empfehlung, ist es zudem seine eigene Entscheidung, ob er sich bei der Ausübung seiner Wahlfreiheit beeinflussen lässt. Es entspricht dem Leitbild des selbstbestimmten Patienten (§ 7 Abs. 1 Berufsordnung Ärzte, in diesem Fall in Niedersachsen), dies dem Patienten zu ermöglichen. Unter diesen Umständen ist dem Arzt nicht zuzumuten, eine Empfehlung zu verweigern oder wider besseres Wissen außer dem seines Erachtens besten Anbieter weitere alternative Versorgungsmöglichkeiten anzugeben, die er für weniger geeignet hält."

Abzugrenzen ist demnach, ob der Patient von sich aus um eine Empfehlung ersucht.

Arzt sollte Nachfrage nicht bewusst provozieren

Rechtlich bislang ungeklärt sind Konstellationen, in denen der Arzt die Nachfrage des Patienten bewusst provoziert, etwa durch gezieltes Hinführen des Gesprächs auf die Frage, ob schon ein Leistungserbringer gewählt wurde oder aber eine Empfehlung benötigt wird.

Bei der provozierten Nachfrage dürften Gerichte geneigt sein, die Unzulässigkeit einer solchen Verhaltensweise anzunehmen, allerdings ist hier zu bedenken, dass ein entsprechender Nachweis, dass der Arzt eine Nachfrage auch tatsächlich provoziert hat, geführt werden muss.

Ärztliche Beteiligungen an Unternehmen der Gesundheitsbranche werden (wieder) verstärkt in den Fokus öffentlicher Diskussionen und straf-, vertragsarzt- sowie berufsrechtlicher Verfahren rücken. Es bleibt abzuwarten, wie die Rechtsprechung die Neufassung des § 128 Abs. 2 S. 3 SGB V interpretiert.

Der Wortlaut der Regelung und die Vielzahl der abzugrenzenden Fallvarianten sprechen für eine arztfreundliche und damit restriktive Anwendung der Norm.

Denn es ist nicht nachvollziehbar, warum einem Arzt, der sich berufs- und vertragsarztrechtskonform verhält sowie zudem die dargelegten Vorgaben des BGH einhält, eine Beteiligung grundsätzlich untersagt werden sollte. Das letzte Wort ist insoweit noch nicht gesprochen.

Dr. Tobias Scholl-Eickmann ist Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht sowie Wirtschaftsmediator in Dortmund (www.kanzlei-am-aerztehaus.de).

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