Urteil

Neuneinhalb Jahre Haft für Serien-Vergewaltiger im Pflegekittel

Er ist psychisch krank und rückfallgefährdet: Der Hildesheimer Kinderpfleger, der junge Patientinnen missbraucht hat, muss in die Psychiatrie. Aber ist der Sexualverbrecher tatsächlich therapierbar?

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Das Hildesheimer Landgericht hat einen Pfleger zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Das Hildesheimer Landgericht hat einen Pfleger zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

© Frisco Gentsch / dpa

HILDESHEIM. Die Mädchen und jungen Frauen sind durch die perfiden Taten des Krankenpflegers für ihr Leben traumatisiert. Dem verurteilten Sexualverbrecher dagegen attestiert das Hildesheimer Landgericht eine erschreckende Gleichgültigkeit.

"Die Empathiefähigkeit lässt zu wünschen übrig", sagt der Vorsitzende Richter Volker Heckemüller über den Kinderkrankenpfleger. Die Strafkammer verurteilte ihn am Montag dieser Woche zu neuneinhalb Jahren Haft wegen Vergewaltigung, Missbrauch und Körperverletzung.

Serienweise hatte der 36-Jährige während der Nachtschicht junge Patientinnen betäubt und sich an ihnen vergangen. Dazu kommt der Missbrauch von Frauen, denen er nach dem Kennenlernen in der Disco ebenfalls Betäubungsmittel verabreichte. Er wolle zu medizinischen Zwecken Blut abnehmen, hatte er vorgegaukelt.

Verminderte Schuldfähigkeit wegen sexueller Störung

Äußerlich regungslos hört der kräftige Mann im blauen Polo-Shirt den Schuldspruch und richtet den Blick starr auf eine Aktenmappe vor sich. Er wird nach dem Urteil des Gerichts durch eine sexuelle Störung zu seinen Taten getrieben, ist deswegen vermindert schuldfähig und soll zur Therapie in eine psychiatrische Klinik kommen.

"Gegenwärtig gibt es eine erhöhte Bereitschaft, weitere Taten zu begehen", sagt der Richter. Die Aussichten, dass der Mann geheilt wird und wieder in Freiheit kommt, sieht er derzeit als gering an: "Es fehlt die Veränderungsbereitschaft."

Die Masche des Mannes hätte einem Horror-Thriller entstammen können und machte die Mädchen und Frauen gleich mehrfach zum Opfer, wie der Richter schildert. Als Pfleger missbrauchte er das Vertrauen der Kinder im geschützten Raum des Krankenhauses, als Fotograf nach Feierabend in einer Disco ist er mit etlichen seiner späteren Opfer persönlich bekannt oder befreundet.

Da das Betäubungsmittel zu einem Gedächtnisverlust führt, wussten die Opfer nachher noch nicht einmal, was ihnen widerfahren war. Dadurch, dass er sein Tun aber auf Foto und Film festhält, schändete er die Intimsphäre seiner Opfer.

"Wir haben feststellen müssen, dass die Opfer noch heute massiv unter den Taten leiden", sagt Heckemüller.

"Spätfolgen sind zu erwarten"

Das vielleicht Schlimmste: Manche der auf den Aufnahmen zu sehende Mädchen konnten noch nicht identifiziert werden, der Pfleger deckte ihnen das Gesicht zu, erinnerte sich nicht an Namen. Auch die Klinik konnte diese nicht ermitteln. Dass sie im Krankenhaus vergewaltigt wurden, werden diese Opfer möglicherweise später begreifen.

"Spätfolgen sind zu erwarten, auch bei denen, die noch nicht wissen, dass sie Opfer waren", umschreibt der Richter die menschliche Tragödie.

Wie krank der Täter sei, zeige, dass er mitunter ein Mädchen missbraucht habe, während noch eine andere Patientin im selben Krankenzimmer schlief, sagte der Richter. Selbst durch Anrufe auf seinem Diensthandy - dies zeigten Filmaufnahmen - habe er sich nicht gestört gefühlt.

Die Ausrüstung für seine Taten führte er stets in einem Rucksack mit, in dem seine Kollegen wohl eher Proviant vermuteten. In einem Kinderkrankenhaus - diesen schwachen Trost zumindest gibt es für die Eltern der Opfer - wird der Pfleger nie mehr arbeiten. Das Gericht sprach ein lebenslanges Berufsverbot aus. (dpa)

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