Niedersachsen

Tötete Pfleger auch an Klinik in Oldenburg?

Ein Krankenpfleger in Niedersachsen steht wegen Mordverdachts vor Gericht. 170 Todesfälle werden geprüft - nun meldet sich ein ehemaliger Arbeitgeber.

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OLDENBURG. Der des Mordes angeklagte Krankenpfleger Niels H. Hat möglicherweise noch mehr Menschen umgebracht als bisher vermutet. Das legen Zahlen des Klinikums Oldenburg nahe, die das Haus am Dienstag veröffentlicht hat.

Derzeit steht H. wegen dreifachen Mordes und zweifachem Mordversuch von Patienten auf der Intensivstation des Klinikums Delmenhorst vor dem Landgericht Oldenburg (wir berichteten).

Die Staatsanwaltschaft ermittelt aber wegen einer weitaus größeren Zahl, insgesamt geht es um 174 Todesfälle. Bevor H. ans Klinikum Delmenhorst gekommen war, arbeitete er im Oldenburger Klinikum.

Schwerste Stunde der Klinik

"Ich spreche zu Ihnen in der schwierigsten Stunde der 200 jährigen Geschichte unseres Hauses", sagte der Geschäftsführer des Klinikums Oldenburg, Dirk Tenzer, am Dienstag vor der Presse.

"Bei uns hat es 12 Sterbefälle gegeben, bei denen alles darauf hindeutet, dass es ein Eingreifen von außen gegeben hat. Hierüber sind wir zutiefst erschüttert."

Nach Prüfung der Akten von 56 Patienten, die während der Anwesenheit von H. auf der herzchirurgischen Intensivstation behandelt wurden, könnte H. zwölf Patienten des Klinikums Oldenburg getötet haben.

Der Gutachter Professor Dr. Georg von Knobelsdorff vom St. Bernward Krankenhaus in Hildesheim hat anhand der Akten von sieben gestorbenen Patienten einen überhöhten Kaliumwert festgestellt, bei fünf Patienten sei der Wert "grenzwertig" gewesen, so von Knobelsdorff. Ab Dezember 2000 treten die unerklärlichen Todesfälle plötzlich auf.

An den Akten sei aber nicht nachweisbar, ob die hohen Kaliumwerte auf eine Fahrlässigkeit oder eine Straftat zurückzuführen seien oder ob es das Kalium gewesen ist, das zum Tode der Patienten geführt hat, erklärte von Knobelsdorff.

Keine Auffälligkeiten

Sterberate und Gilurytmal-Verbrauch - der im Delmenhorster Klinikum so beträchtlich ist - zeigte in Oldenburg keine Auffälligkeiten, selbst mit dem Wissen von heute nicht, so Tenzer.

Aber man hätte die Taten erkennen können, wenn man auffällige Handlungsmuster des Pflegers gleich mit den Krankenakten verglichen hätte, so Tenzer. Aber das geschah nicht.

So habe sich H. bei Reanimationen "wie auf dem Fußballplatz" nach vorne gedrängt "und war wohl regelrecht süchtig nach Anerkennung."

Zwar sei aufgefallen, dass H. Überhaupt oft bei Reanimationen anwesend gewesen sei und auch die hohen Kaliumwerte seien aufgefallen "es konnte aber kein Beweis geführt werden." Dennoch: "Auch aus heutiger Sicht war das Verhalten damals nicht richtig."

2002 trennte sich das Klinikum von H. Und schrieb ihm ein Arbeitszeugnis, das aus heutiger Sicht sicher anders ausgefallen wäre. Mit diesem Zeugnis wurde Niels H. In Delmenhorst eingestellt. (cben)

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