Masern-Prozess

Evidenz, die schönste Nebensache der Welt

Erfolg für einen Impfgegner vor Gericht: Er muss einem Arzt keine Belohnung für den Nachweis der Existenz von Masernviren zahlen. Als Auslobender bestimmt er die Modalitäten, so die Richter, die von der Existenz der Erreger überzeugt sind.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Die Richter des OLG Stuttgart sind jedenfalls davon überzeugt, dass das Masernvirus tatsächlich existiert.

Die Richter des OLG Stuttgart sind jedenfalls davon überzeugt, dass das Masernvirus tatsächlich existiert.

© Sebastian Schreiter / Springer Verlag GmbH

STUTTGART. Überraschendes Prozessende am Dienstagabend vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart: Paragraf 657 BGB („Bindendes Versprechen“) hat einen Biologen davor bewahrt, eine Belohnung in Höhe von 100 000 Euro an einen Arzt zu bezahlen.

 Der Arzt wollte mit seiner Klage geltend machen wollte, dass er dem Impfgegner den geforderten Nachweis der Existenz der Masernviren erbracht hat. Wie die Richter nach Auskunft des OLG-Pressesprechers Stefan Schüler betonten, geben sie dem Impfgegner aus Langenargen am Bodensee in dem knapp dreistündigen Prozesstermin in der Frage der Existenz der Masernviren keinesfalls Recht.

 Im Gegenteil: Für sie sei im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Landgericht (LG) Ravensburg (Az.: 4 O 346/13) gutachterlich der Nachweis der Masernviren erbracht worden. Sie könnten lediglich formaljuristisch urteilen. Dies verbanden die Richter laut Schüler mit dem expliziten Hinweis, dass für sie die Klärung der Frage nach der Existenz des Erregers nicht vor ein Zivilgericht gehöre, sondern in der Wissenschaft erfolgen müsse.

Kläger klärte Ernsthaftigkeit ab

Wie aus einer Pressemitteilung der Vorinstanz, des LG Ravensburg, zu dessen Urteil vom 12. März 2015 hervorgeht, hat der Impfgegner auf den Internetseiten eines von ihm betriebenen Verlages unter der Überschrift „Das Masern-Virus – 100.000 EUR Belohnung! – WANTED – Der Durchmesser“ am 24. November 2011 ein „Preisgeld“ in Höhe von 100 000 Euro ausgelobt.

„Das Preisgeld wird ausgezahlt, wenn eine wissenschaftliche Publikation vorgelegt wird, in der die Existenz des Masern-Virus nicht nur behauptet, sondern auch bewiesen und darin unter anderem dessen Durchmesser bestimmt ist“, hieß es in der strittigen Auslobung.

 Und hier lag auch der Knackpunkt für die Entscheidung der Stuttgarter Richter, wie Schüler im Gespräch mit der „Ärzte Zeitung“ ausführt. Der Kläger berief sich nach Angaben des LG Ravensburg in einem Schreiben an den Beklagten darauf, dass er dem Beklagten durch seine ausführliche Literaturrecherche sowohl den Beweis für die Existenz des Masernvirus erbracht als auch die geforderten Bilder und Angaben zum Durchmesser des Masernvirus geliefert habe, und bat um Überweisung des Betrages von 100 000 Euro.

Unter den vorgelegten sechs wissenschaftlichen Arbeiten befand sich auch der vor 52 Jahren veröffentlichte Bericht über die Erstisolation des Masernvirus (Enders & Peebles: Proc Soc Exp Bil Med 1954; 86: 277-86). Die OLG-Richter legten Paragraf 657 BGB aber zu Gunsten des Beklagten aus.

„Wer durch öffentliche Bekanntmachung eine Belohnung für die Vornahme einer Handlung, insbesondere für die Herbeiführung eines Erfolges, aussetzt, ist verpflichtet, die Belohnung demjenigen zu entrichten, welcher die Handlung vorgenommen hat, auch wenn dieser nicht mit Rücksicht auf die Auslobung gehandelt hat“, so der Wortlaut des Paragrafen.

In einer ganzheitlichen Betrachtung hätten die vorgelegten Studien zwar nach dem beim LG eingeholten Sachverständigengutachten sowohl den Nachweis der Existenz der Masernviren sowie die Auskunft über deren Durchmesser erbracht, wie Schüler hervorhebt.

Kumulativer Ansatz ausgeschlossen

Der Auslobende des Preises habe aber den ganzheitlichen Ansatz explizit ausgeschlossen und beide Anforderungen in einer einzigen Studie erbracht sehen wollen. So seien die Voraussetzungen für das Auszahlen des Preisgeldes nicht erfüllt gewesen, wie die OLG-Richter dem Beklagten zugute hielten. Der Nachweis solle nicht wie bei einem Puzzle aus mehreren Teilen zusammengesetzt werden müssen.

„Im Klartext: Hätte der Kläger oder ein Dritter eine Übersichtsarbeit über die sechs vorgelegten Studien angefertigt und dort die beiden geforderten Kriterien zusammengeführt, hätte der Auslobende das Preisgeld zahlen müssen“, verdeutlicht Schüler. In seiner Auslobung bezichtigte der Impfgegner die Bundesregierung, nach Absatzrückgängen bei Vakzinen „kräftig die Werbetrommel für die Masern zu rühren“.

Später habe die WHO „mit der Masern-Werbung“ begonnen. Er strebte mit der Ausschreibung offensichtlich die gesundheitspolitische Bühne an.

 „Da wir wissen, dass es das Masern-Virus nicht gibt und bei Kenntnis der Biologie und der Medizin auch nicht geben kann und wir die wirklichen Ursachen von Masern ganz genau kennen, ... wollen wir mit dem Preisgeld bewirken,(...) 1. dass sich Menschen aufklären und 2. dass die aufgeklärten Menschen den nicht-aufgeklärten helfen und 3. die Aufgeklärten im Sinne der Gesetze auf die Akteure einwirken“, hieß es laut LG Ravensburg im Wortlaut.

Das Landgericht Ravensburg hatte den Beklagten 2015 noch zur Zahlung des Preisgeldes verpflichtet, weil es den Nachweis als erbracht angesehen hatte. Gegen sein Urteil hat das OLG Stuttgart keine Revision zugelassen. Dagegen könne der Arzt nun beim Bundesgerichtshof eine Nichtzulassungsbeschwerde einrichten, da der Streitwert über 20 000 Euro liege, erläutert Schüler

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Schlappe für Impfgegner

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