Dopingskandal

Starten "saubere Russen" mit IOC-Ticket?

Olympia in Brasilien wird wohl ohne russische Leichtathleten stattfinden. Der Vorwurf: Doping. Starten nicht-gedopte Athleten dann unter dem Banner des IOC?

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Hoffnung für russische Leichtathleten: "Saubere" Sportler könnten direkt für das IOC starten.

Hoffnung für russische Leichtathleten: "Saubere" Sportler könnten direkt für das IOC starten.

© Cozyta / Fotolia

FRANKFURT/MAIN. Der Ausschluss russischer Leichtathleten von den am 5. August in Rio beginnenden Olympischen Sommerspielen wird im Westen einhellig begrüßt, während ihn russische Athleten, Funktionäre und Politiker harsch kritisieren. Der Nürnberger Dopingexperte Professor Fritz Sörgel hält die Entscheidung des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF für gerechtfertigt, da man mit Blick auf die Vorgänge in Russland durchaus von einem Staatsdoping sprechen könne.

Am Freitag hatte der IAAF entschieden, die seit November 2015 geltende Sperre für russische Leichtathleten auf unbestimmte Zeit zu verlängern. Nach Billigung der Maßnahme durch das Internationale Olympische Komitee (IOC) ist die Teilnahme russischer Leichtathleten an den bis zum 21. August 2016 währenden olympischen Sommerspielen in Brasilien faktisch ausgeschlossen.

Hintergrund sind Vorwürfe der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, wonach es in der russischen Leichtathletik ein flächendeckendes Doping gegeben hat. Russische Athleten und Funktionäre hatten öffentlich ausgesagt, dass systematisch gedopt, positive Proben vertauscht oder vernichtet wurden und nicht nur das russische Kontrolllabor, sondern auch höchste staatliche Stellen in die Vertuschungsaktionen verwickelt gewesen seien.

"Staatsdoping"?

"Wenn ganz oben die Order gegeben werden, spreche auch ich von einem Staatsdoping", sagte Fritz Sörgel, Leiter des Instituts für Biomedizinische und Pharmazeutische Forschung (IBMP) in Heroldsberg bei Nürnberg, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Der Ausschluss der russischen Leichtathleten sei daher gerecht. "Die Beschwerde des Deutschen Leichtathletik-Verbands bei IOC-Präsident Thomas Bach hat es auf den Punkt gebracht: Bei einer Teilnahme der russischen Athleten müssen sich die Sportler anderer Länder doch von vorneherein betrogen fühlen."

In Russland wurde die Entscheidung des IAAF dagegen kritisiert. Stabhochsprung-Weltrekordlerin Jelena Issinbajewa sprach von einem "Verstoß gegen die Menschenrechte", der russische Präsident Wladimir Putin nannte die Kollektivbestrafung "unfair".

Einen Tag nach dem Olympia-Aus für russische Leichtathleten hat die Justiz in Moskau Ermittlungen gegen Gregori Rodtschenkow wegen Machtmissbrauchs eingeleitet. Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors, der heute in den USA lebt, hatte die Dopingmanipulationen in Russland öffentlich gemacht.

DOSB: Russland komplett von Olympia ausschließen

Der Vorstandsvorsitzende des Deutschen Olympischen Sport Bundes (DOSB) Michael Vesper dagegen begrüßte den Ausschluss der russischen Leichtathleten. DLV-Präsident Clemens Prokop forderte jetzt sogar einen kompletten Ausschluss russischer Sportler von den Olympischen Spielen in Rio.

Einen solchen Schritt hält auch Dopingexperte Sörgel für denkbar. "Was für einen Bann Russlands von allen Sportarten spricht: Im Querschnitt sieht man bei Dopingvergehen in vielen Sportarten Russen. Schaut man auf die Statistiken der Dopingvergehen, dann zeigt sich zusammen mit den Enthüllungen der Dopingvergehen in Russland ein verheerendes Bild."

Auch das Beispiel Meldonium werfe ein Schlaglicht auf die Dopingkultur in Russland. "Die Substanz wurde trotz Verbots breit angewendet."

Ähnliche Probleme in Kenia und Jamaika?

In einem Punkt kann der Experte den russischen Protest zumindest ein wenig verstehen. Tatsächlich gebe es auch in anderen Ländern Hinweise auf breitflächiges Doping. Als Beispiele nennt Sörgel Kenia, wo Ermittlungen wie in Russland schwierig seien, und Jamaika, das bis vor Kurzem gar keine Anti-Doping-Agentur gehabt und mit dem Sprintstar Nesta Carter derzeit einen Dopingsünder habe.

Nachdem das IOC am Samstag die IAAF-Entscheidung "vollständig respektiert" hat, bleibt russischen Leichtathleten nur noch ein Schlupfloch. Zumindest jenen, die nicht unter Kontrolle des russischen Systems standen, weil sie im Ausland leben.

Russische Sportler könnten unter IOC-Flagge starten

Der Whistleblowerin Julia Stepanowa etwa wurde vom IAAF in Aussicht gestellt, unter Flagge des IOC an den Spielen von Rio teilnehmen zu können. Eine Entscheidung könnte das IOC am morgigen Dienstag auf seinem Gipfel in Lausanne treffen, wo IOC-Präsident Thomas Bach mit olympischen Interessengruppen eine gemeinsame Strategie in den Streitfragen rund um die Sperre russischer Leichtathleten entwickeln will, vor allem in der Problematik Kollektivstrafe versus Individualrecht.

Die WADA will zudem bis zum 15. Juli einen Report vorlegen, der die Dopingvorgänge während der Winterspiele 2014 in Sotschi aufklären soll.

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