Urteil

Arbeitssicherheit in der Praxis ist Chefsache

Bei einer Blutabnahme infiziert sich eine MFA mit Hepatitis C. Muss der Arzt ihr Schmerzensgeld zahlen? Das LAG hat in diesem Fall mit hoher Schmerzensgeldforderung jetzt geurteilt.

Martin WortmannVon Martin Wortmann Veröffentlicht:
Sicherheitskanülen gehören zum Standard bei der Verhütung von Nadelstichverletzungen in Arztpraxen.

Sicherheitskanülen gehören zum Standard bei der Verhütung von Nadelstichverletzungen in Arztpraxen.

© BVMed.

NÜRNBERG. Ärzte können mit hohen Summen haften, wenn sie ihren MFA für eine Blutentnahme nicht die vorgeschriebenen Kanülen zur Verfügung stellen. Jetzt sprach das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg einer ehemaligen Praxismitarbeiterin 150.000 Euro Schmerzensgeld zu (Az.: 7 Sa 231/16).

In der Praxis wurden 2011 noch Kanülen mit Verschlusskappe verwendet, obwohl seit 2008 Sicherheitskanülen mit einer klappbaren Abdeckkappe Pflicht sind.

Beim Probearbeiten infiziert

Die Klägerin hatte sich um eine Einstellung nach dem baldigen Abschluss ihrer Ausbildung beworben. Als sie an einem Tag zum Probearbeiten in der Praxis war, sollte sie einem mit Hepatitis C infizierten Patienten Blut abnehmen.

Nach eigenen Angaben hatte die angehende MFA um eine Sicherheitskanüle gebeten. Sie habe noch nie ohne eine solche Kanüle Blut abgenommen. Der Arzt habe daraufhin lediglich gesagt, sie könne sich Handschuhe anziehen.

Nach der Blutentnahme stach sich die junge Frau beim Verschließen der Nadel mit der Kappe in den Finger. Dadurch infizierte sie sich mit Hepatitis C. Die Infektion wurde mit Interferon behandelt, woraufhin sie an rheumatoider Arthritis erkrankte.

Damit verbunden sind nach einem Gutachten Bewegungseinschränkungen, Schmerzen in mehreren Gelenken und tägliche Kopfschmerzen. Dadurch hervorgerufen sei eine schwere Traurigkeit bis hin zur Depression.

Die junge Frau nimmt verschiedene Medikamente, darunter Methotrexat. Mit ihrer Klage macht sie geltend, dies stehe ihrem Kinderwunsch entgegen. Ohnehin habe sie große Probleme, eine partnerschaftliche Bindung einzugehen. Sie forderte ein Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 50.000 Euro.

Gericht: Arzt hat Schutzvorschriften verletzt

Während der Arzt noch meinte, der Klägerin sei ein Mitverschulden anzulasten und der geforderte Betrag daher zu hoch, setzte das LAG ein Schmerzensgeld in dreifacher Höhe fest. Der Arzt habe sowohl arbeitsrechtliche Schutzvorschriften als auch seine vertraglichen Pflichten gegenüber der angehenden MFA verletzt.

"Als Arbeitgeber der Klägerin oblag es ihm, dafür Sorge zu tragen, dass die Arbeitsmittel, die er der Klägerin zur Verfügung stellte, den Unfallverhütungsbestimmungen entsprachen", heißt es in dem Nürnberger Urteil. Dies habe er nicht getan.

Dadurch sei es zu der Verletzung und der Hepatitis-C-Infektion gekommen. Laut Gutachten sei es sehr wahrscheinlich, dass die anschließende Interferonbehandlung zu der bis heute anhaltenden rheumatoiden Arthritis geführt habe.

Die Unfallversicherung habe die Infektion zwar als Arbeitsunfall anerkannt. Der Arzt habe hier seine Pflichten aber vorsätzlich verletzt. Daher könne er sich nicht auf das gesetzliche Haftungsprivileg für Arbeitgeber bei Arbeitsunfällen berufen, betonte das LAG.

Mehr zum Thema

Urteil

BFH billigt Austausch von Kontodaten mit der Schweiz

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System