Psycholyse-Prozess

Bewährung für Therapeuten nach Drogen-Experiment

Das Landgericht Stade folgt dem Antrag der Anklage nicht und verhängt kein Berufsverbot.

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STADE. Ein Psychotherapeut ist dafür verantwortlich, dass mehrere Menschen zeitweise in Lebensgefahr schwebten. Sie nahmen in seinem Seminar in Handeloh bei Hamburg Drogen, um ihr Bewusstsein zu erweitern. Am Ende landeten alle im Krankenhaus. Das Landgericht Stade hat den 53-Jährigen am Mittwoch zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt – wegen Besitzes und Abgabe von Drogen (Az.: 201KLs 161Js 35143/15). Die Mindeststrafe hätte in diesem Fall bei einem Jahr gelegen. Ein Berufsverbot verhängte die Kammer nicht. Der Angeklagte habe auch so schon erhebliche berufliche und wirtschaftliche Konsequenzen zu fürchten, begründete der Vorsitzende Richter Berend Appelkamp das Urteil des Landgerichts. Als Psychotherapeut darf der 53-Jährige damit weiter arbeiten – zumindest vorerst. Denn er könnte wegen des Drogenexperiments noch seine Approbation verlieren. Die Psychotherapeutenkammer beschäftigt sich laut Verteidigung bereits mit dem Fall.

"Die sieben Quellen – eine Reise durch unser Energiesystem" lautete der Titel des Seminars, das der Psychotherapeut im September 2015 in Handeloh bei Hamburg anbot. Kosten pro Teilnehmer: 290 Euro. Dazu brachte er Kapseln mit dem Halluzinogen 2C-E mit, die von allen 27 Teilnehmern freiwillig eingenommen wurden.

Doch was der Organisator nicht wusste: Die Kapseln enthielten auch eine psychoaktive Substanz. Kurze Zeit später wanden sich die Teilnehmer mit Krämpfen, Atemnot und Wahnvorstellungen auf dem Boden. 160 Rettungskräfte kämpften um ihre Leben. Von einen Unfall, der ihm eine heilsame Lehre sein werde, spricht er vor Gericht. "Jetzt stehe ich hier und verantworte die Fehler, die ich begangen habe", erklärte er. Selbstbewusst tritt er am Tag der Urteilsverkündung auf, der ausgerechnet auch sein Geburtstag ist.

"Wir haben es hier mit einem Fall zu tun, der in diesen Dimensionen in Deutschland wahrscheinlich so noch nie vorgekommen ist", sagte Staatsanwalt Christian Laustetter in seinem Plädoyer. Neben einer Bewährungsstrafe fordert er ein Berufsverbot für den Angeklagten. "Der Angeklagte hat keinen Zweifel daran erkennen lassen, dass er ein glühender Verfechter der Psycholyse ist." Bei der umstrittenen Therapieform soll das Bewusstsein mit Drogen erweitert werden.

Der Angeklagte war ein Schüler des im Januar gestorbenen Schweizer Therapeuten Samuel Widmer und soll den Ermittlern zufolge mit dessen Kirschblütengemeinschaft sympathisieren. Die Zentralestelle für Weltanschauungsfragen stuft diese als problematisch ein. Kritiker sehen in ihr eine Sekte. Seit 2012 habe er nur noch unregelmäßig eine Trainingsgruppe von Widmer besucht, sagt der Psychotherapeut. "Ich bin vor allem eigene Wege gegangen." Die Gesinnung des Angeklagten sei nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen, sondern allein die Drogendelikte, betont Appelkamp später, als er das Urteil verkündet.

Für das Drogenexperiment muss der Psychotherapeut auch finanziell geradestehen: Er muss für das Verfahren aufkommen, das nach Angaben der Staatsanwaltschaft wegen der vielen Drogenanalysen und Blutuntersuchungen einen fünfstelligen Betrag gekostet hat. Auch den Rettungseinsatz in ähnlicher Höhe muss er voraussichtlich bezahlen.(dpa)

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