Urteil

Klinik scheitert mit Abmahnung wegen Gefährdungsanzeige

Eine Pflegefachkraft empfindet das Personal auf Station als unzureichend und reagiert mir einer Gefährdungsanzeige. Ihr Arbeitgeber mahnt sie dafür ab – zu Unrecht, urteilt das Arbeitsgericht Göttingen.

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Ist die personelle Besetzung auf der Station zu dünn? Bei der Bewertung, ob möglicherwiese dadurch eine Gefährdung entsteht, zählt auch die subjektive Einschätzung eines Mitarbeiters.

Ist die personelle Besetzung auf der Station zu dünn? Bei der Bewertung, ob möglicherwiese dadurch eine Gefährdung entsteht, zählt auch die subjektive Einschätzung eines Mitarbeiters.

© Peter Atkins / stockadobe.com

GÖTTINGEN. Arbeitgeber dürfen gegenüber Beschäftigten, die wegen Personalmangels die Sicherheit und Gesundheit an ihrem Arbeitsplatz gefährdet sehen und deshalb eine so genannte Gefährdungsanzeige erstatten, nicht mit einer Abmahnung reagieren. Das hat vor Kurzem das Arbeitsgericht Göttingen entschieden. Das Gericht gab damit der Klage einer Pflegefachkraft einer psychiatrischen Fachklinik in Göttingen statt.

Die examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin hatte sich geweigert, eine Gefährdungsanzeige zurückzuziehen, und daraufhin eine Abmahnung erhalten. Zu Unrecht, befand das Gericht. Der Klinikbetreiber müsse die Abmahnung aus der Personalakte entfernen (Az.: 2 Ca 155/17).

Die Klägerin ist seit 25 Jahren als examinierte Fachkraft tätig. Im September 2016 sollte sie in der psychiatrischen Klinik als Vertretungskraft auf einer mit 24 Patienten belegten offenen Station eingesetzt werden. Ansonsten war dort lediglich noch eine Auszubildende im Einsatz.

Meldung beim Pflegedienstleiter

Die Klägerin hielt die personelle Besetzung für unzureichend und meldete sich bei dem Pflegedienstleiter. Daraufhin bekam die Station noch eine weitere Auszubildende zugeteilt, die ebenfalls stationsfremd war. Außerdem wurde der Klägerin mitgeteilt, dass sie im Falle von unvorhersehbaren Arbeitsspitzen Unterstützung von der Nachbarstation bekommen könne.

Die Pflegefachkraft hielt die Personalsituation weiterhin für unzureichend und verfasste eine so genannte Gefährdungsanzeige. Nach dem Arbeitsschutzgesetz sind Beschäftigte dazu verpflichtet, unverzüglich ihrem Arbeitgeber oder zuständigem Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit zu melden.

Da sie normalerweise auf einer anderen Station arbeite, habe sie keinen der Patienten gekannt, berichtete sie in der Verhandlung. Gerade in einer psychiatrischen Klinik sei es aber wichtig, dass man die Patienten kenne, um mögliche Krisen schnell erkennen und darauf reagieren zu können.

Subjektive Einschätzung zählt auch

Deshalb hätte auf der Station noch eine zweite examinierte Fachkraft eingesetzt sein müssen. Ihr Arbeitgeber sprach daraufhin eine Abmahnung aus. Die Gefährdungsanzeige sei unberechtigt, da die Anzahl, der auf der Station eingesetzten Mitarbeiter, ausreichend gewesen sei.

Das Gericht hielt die Abmahnung für unberechtigt, da diese dem Sinn und Zweck des Arbeitsschutzgesetzes widerspreche. Dieses verpflichte Arbeitnehmer dazu, daran mitzuwirken, dass keine Gefährdungslagen entstehen. Dabei komme es nicht darauf an, ob eine objektive Gefährdung bestehe. Arbeitnehmer könnten auch aufgrund ihrer subjektiven Einschätzung eine Gefährdungsanzeige erstatten.

Der Arbeitgeber könne gegebenenfalls mit einer Gegendarstellung reagieren, nicht aber mit einer Abmahnung. Es gebe auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Gefährdungsanzeige missbräuchlich erstattet worden sei, heißt es. (pid)

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