Mythos Ungleichheit?

BSG-Präsident nimmt GKV in Schutz

Zu seiner Jahresbilanz 2017 wird der Präsident des Bundessozialgerichts auch mal politisch – unter anderem zur Frage, wer medizinischer Innovationstreiber ist und wie lange GKV-Patienten warten.

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KASSEL. Der Präsident des Bundessozialgerichts (BSG) in Kassel, Rainer Schlegel, hält den Vorwurf einer Zweiklassenmedizin in Deutschland nicht für gerechtfertigt. Soweit Ungleichbehandlungen bei den Wartezeiten bestünden, sei dem nicht nur mit einer einheitlichen Gebührenordnung beizukommen, sagte Schlegel beim Jahrespressegespräch seines Gerichts am Mittwoch in Kassel.

"Ich habe den Eindruck, dass die gesetzliche Krankenversicherung unnötig schlecht geredet wird", sagte Schlegel mit Blick auf die just abgeschlossenen Verhandlungen für eine Neuauflage der Großen Koalition. Ihre Ausgaben seien in den vergangenen 20 Jahren mit dem Bruttosozialprodukt um rund Zwei Drittel gestiegen, die Einnahmen aber nur um 35 Prozent.

Dies sei durch erhebliche Steuerzuschüsse von zuletzt 14,5 Milliarden Euro in 2017 möglich gewesen, wie Schlegel betonte.

Unterschiedliche Wartezeiten?

Ungleiche Wartezeiten für gesetzlich und privat Versicherte seien nur teilweise verifiziert. Vorhandene Probleme "erfordern keine vollständige Abkehr vom System", betonte der BSG-Präsident. Möglich seien beispielsweise auch Vorgaben an die Ärzte, einen bestimmten Anteil ihrer Sprechstunden für GKV-Patienten frei zu halten.

Die private Krankenversicherung zahle Ärzten für eine Behandlung zwar etwa doppelt so viel wie die gesetzliche, sei dabei aber keinesfalls der "Innovationstreiber". In weiten Bereichen hänge sie sich an die GKV an.

"Die Arbeit wird in der gesetzlichen Krankenversicherung gemacht", sagte Schlegel. Das gelte insbesondere für die Bewertung neuer Arzneimittel und Behandlungsmethoden durch den gemeinsamen Bundesausschuss. Zudem bestünden für Privatversicherte Anreize für eine Überbehandlung, die auch nicht im Interesse der Patienten liege. Zusammenfassend sagte Schlegel: "Hier wird ein System, um das und viele Menschen und Staaten aus der ganzen Welt beneiden, unnötig schlecht gemacht."

Die Verfahrenslage seines Gerichts beschrieb der BSG-Präsident als insgesamt stabil. Einer zunehmenden Zahl von Revisionen und Anhörungsrügen stehe ein Rückgang bei den Nichtzulassungsbeschwerden gegenüber. Insgesamt ging die Zahl der Neueingänge von 3691 in 2016 auf 3633 in 2017 leicht zurück.

Beim Vertragsarztsenat gab es 2017 68 neue Revisionen, 42 Prozent mehr als 2016. Demgegenüber nahmen die Nichtzulassungsbeschwerden um 8,5 Prozent auf 86 ab. Im GKV-Bereich nahmen 2017 beide Verfahrensarten zu: die Revisionen um 18,6 Prozent auf 83, die Nichtzulassungsbeschwerden um 6,3 Prozent auf 288. (mwo)

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