Schadenersatzklage

Mollath fordert von Bayern Millionen ein

In München wollen Unterstützer des prominenten Justizopfers den Kopf des Justizministers rollen sehen.

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MÜNCHEN. Für siebeneinhalb Jahre Zwangsunterbringung in der Psychiatrie verklagt Justizopfer Gustl Mollath den Freistaat Bayern auf Schadensersatz in Höhe von rund 2,1 Millionen Euro.

Das kündigte sein Anwalt, Hildebrecht Braun, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in München an. Bisher hat Bayerns Justizministerium unter Vorbehalt bereits 70.000 Euro gezahlt und in weiteren Gesprächen eine Obergrenze für eine eventuelle Verständigung mit 170.000 Euro mitgeteilt.

Braun fasste den Fall Mollath zusammen: Sein Mandant habe Strafanzeige gestellt, weil seine Frau als Mitarbeiterin der Hypovereinsbank Schwarzgeld in die Schweiz verschoben hatte. Daraufhin trennte sich seine Frau 2002 von ihm und erstattete sechs Monate später Strafanzeige wegen einer angeblichen Misshandlung, die damals bereits 14 Monate zurückgelegen hätte.

Eine Ärztin, die zugleich Kundin seiner Frau war, habe aus der Distanz in einem Erstgutachten geäußert, dass Gustl Mollath geisteskrank sein könne.

Es folgten weitere Gutachten und Gerichtsverfahren. Laut Braun habe jeder von der Vorinstanz abgeschrieben, "aber der Vorwurf der Schwarzgeldverschiebungen wurde von den Gerichten nicht überprüft, sehr wohl aber von der Hypovereinsbank, die schon 2003 feststellte, dass Mollaths Vorwürfe fast vollständig zutrafen."

Mollaths Unterstützer, Wilhelm Schlötterer, warf den Richtern und der Staatsanwaltschaft Versagen vor. Der ehemalige Leiter des Referats für Steuerfahndung im Bayerischen Finanzministerium und Buchautor erklärte: "Herr Mollath wurde beschuldigt, seine Angaben über Schwarzgeldverschiebungen seien Wahnvorstellungen. Als weiterer Grund für die Einweisung in die Psychiatrie wurden Reifenstechereien angeführt mit dem Ziel, seine Gemeingefährlichkeit zu begründen." Hierfür gab es keinerlei Beweise.

Im Wiederaufnahmeurteil wurden den Richtern, die Mollath in die forensische Psychiatrie eingewiesen hatten, gar bewusste Unwahrheiten attestiert. Schlötterer richtete harsche Vorwürfe an den Bayerischen Justizminister Professor Winfried Bausback: "Wenn Herr Bausback nicht veranlasst, dass die Verantwortlichen strafrechtlich und disziplinarisch zur Verantwortung gezogen werden, stellt sich die Frage, ob dieser Minister zu Recht im Amt bleibt."

Die Summe, die Braun für seinen Mandanten nun fordert, bemisst sich zum einen am materiellen Schaden – etwa Verdienstausfall, Rentenansprüche – und zum anderen am immateriellen, seelischen Schaden. Gesetzlich stehen Justizopfern hierfür bislang 25 Euro pro Tag zu. "Nachdem der Fall Mollath ohnehin Rechtsgeschichte geschrieben hat, wird es ein Teil dieses Verfahrens sein, die 25 Euro zu kippen, weil sie gegen die Menschenwürde verstoßen", erklärte Braun. "Wir müssen uns fragen: Was ist ein Leben in Freiheit wert?"Gustl Mollath forderte im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" eine bessere Qualitätssicherung im Gutachterwesen und Schadensersatz bei krassen Fehlleistungen. Der wundeste Punkt aber liege in den menschlichen Qualitäten derer, die über Schicksale wie seines entscheiden. "Hätten wir nicht eine breite Öffentlichkeit erreicht, hätten die mich verräumt bis zu meinem Lebensende", resümierte Mollath. (js)

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