Recht

Plädoyer gegen Chefarzt-Kündigung wegen Wiederheirat

Eine katholische Klinik darf einem katholischen Chefarzt keine rigideren moralischen Maßstäbe abverlangen als Mitarbeitern anderer Konfession. So sieht es jedenfalls ein Generalanwalt beim EuGH.

Von Frank Leth Veröffentlicht:
Arzt im Zeichen des Kreuzes? Das heißt noch lange nicht, dass die Kirche in Privatangelegenheiten mitreden darf.

Arzt im Zeichen des Kreuzes? Das heißt noch lange nicht, dass die Kirche in Privatangelegenheiten mitreden darf.

© LandFoto / Getty Images / iStock

LUXEMBURG. Nach Ansicht des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), Melchior Wathelet, stellt die Kündigung eines Arztes wegen dessen Wiederheirat eine unzulässige Benachteiligung und Diskriminierung aus religiösen Gründen dar.

Ein katholisches Krankenhaus darf demnach einen katholischen Chefarzt moralisch nicht strenger beurteilen, als Chefärzte evangelischer oder auch gar keiner Religionszugehörigkeit.

Wathelet stellte Ende Mai seine Schlussanträge zum Fall eines katholischen Chefarztes an einer Düsseldorfer Klinik in katholischer Trägerschaft.

Sein Gutachten gibt zwar nur eine Richtung vor, wie der EuGH entscheiden könnte. In den allermeisten Fällen urteilt er aber entsprechend der Rechtsauffassung seiner Generalanwälte.

Gerichtlicher Etappensieg

Der klageführende katholische Chefarzt kann den Schlussantrag zumindest als gerichtlichen Etappensieg verbuchen. Der Arzt hatte sich 2005 von seiner Ehefrau, die er kirchlich geheiratet hatte, scheiden lassen. Drei Jahre später heiratete er seine neue Partnerin standesamtlich.

Der katholische Arbeitgeber kündigte daraufhin dem Chefarzt mit der Begründung, er habe mit Scheidung und Wiederheirat gegen die katholische Glaubens- und Sittenlehre verstoßen. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte schließlich eine unzulässige Ungleichbehandlung fest.

Denn konfessionslose oder auch Chefärzte anderer Konfession wären entsprechend den Klinik-Regeln einer Wiederheirat wegen nicht gekündigt worden.

Das Bundesverfassungsgericht allerdings hob diese Entscheidung Mitte Oktober 2014 auf. Die Verfassungsrichter befanden, Kirchen dürften aufgrund ihres Selbstbestimmungsrechtes ihre eigenen Mitglieder schärfer sanktionieren.

Das anschließend erneut mit dem Fall befasste Bundesarbeitsgericht sah daraufhin europäisches Recht verletzt und schaltete den EuGH ein.

"Keine wahrscheinliche oder erhebliche Gefahr einer Beeinträchtigung des Ethos"

Der EuGH-Generalanwalt bestätigt nun die Auffassung der Erfurter Arbeitsrichter. Die Kirchen hätten zwar ein Selbstbestimmungsrecht. Verlange ein katholischer Arbeitgeber jedoch allein von katholischen leitenden Beschäftigten die Beachtung der katholischen Werte, müsse dies für das Berufsbild erforderlich sein.

Und das sei bei einem Chefarzt nicht der Fall. Für Kollegen und Patienten sei die Erbringung der medizinischen Leistungen wesentlich und nicht die Frage, ob der Mediziner geschieden sei und erneut geheiratet habe.

Die standesamtliche Wiederheirat stelle "keine wahrscheinliche oder erhebliche Gefahr einer Beeinträchtigung des Ethos" der katholischen Klinik dar.

Ein Urteil des EuGH wird in drei bis sechs Monaten erwartet.

Az.: C-68/17

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