Zyto-Skandal

Lange Haftstrafe wegen gepanschter Krebsmittel

Urteil im Prozess um den Zyto-Skandal: Das Landgericht sieht es als erwiesen an, dass ein Apotheker aus Bottrop Krebsmedikamente verdünnt, aber voll abgerechnet hat. Die Richter verhängen eine Gefängnisstrafe - und ein lebenslanges Berufsverbot.

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Freispruch oder jahrelange Haft: Im Prozess um angeblich gepanschte Krebsmittel konnten die Anträge von Verteidigung und Staatsanwaltschaft kaum weiter auseinanderliegen.

Freispruch oder jahrelange Haft: Im Prozess um angeblich gepanschte Krebsmittel konnten die Anträge von Verteidigung und Staatsanwaltschaft kaum weiter auseinanderliegen.

© Marcel Kusch/dpa (Archivbild)

ESSEN. Im Medizinskandal um massenhaft gepanschte Krebsmedikamente hat das Landgericht Essen einen Apotheker zu zwölf Jahren Haft verurteilt.

Die Richter stellten in ihrem Urteil am Freitag fest, dass in der Apotheke des 48-Jährigen aus Bottrop Infusionslösungen getreckt, bei den Krankenkassen aber voll abgerechnet wurden.

Im Urteil ist von mehr als 14.000 Medikamenten die Rede, die in ihrer Qualität "nicht unerheblich" gemindert waren.

Die Richter verhängten außerdem ein lebenslanges Berufsverbot. Der Angeklagte selbst hatte sich im Prozess nicht zu den Vorwürfen geäußert. Seine Verteidiger hatten einen Freispruch beantragt.

Knapp unter gefordertem Strafmaß

Die Staatsanwaltschaft hatte dreizehneinhalb Jahre Haft gefordert. Sie war überzeugt, dass Peter S. jahrelang lebenswichtige Krebsmedikamente streckte, um seinen luxuriösen Lebensstil zu finanzieren.

Der Apotheker wurde am Tag der Urteilsverkündung 48 Jahre alt. Er habe sich auf Kosten von Menschen bereichert, die um ihr Leben bangten, hatte Staatsanwalt Rudolf Jakubowski in seinem Plädoyer argumentiert. "Und das zur Fortsetzung seines luxuriösen Lebensstils – zum Beispiel zum Bau einer Villa mit Wasserrutsche."

Opfer und Hinterbliebene kritisierten, dass wichtige Fragen in dem Verfahren am Landgericht Essen offengeblieben seien.

Vor allem konnte nicht geklärt werden, wie viele Patienten unterdosierte Medikamente bekamen. Anfänglich war die Staatsanwaltschaft von mehr als 1000 betroffenen Patienten ausgegangen.

Ruf nach schärferen Kontrollen

Nach dem Urteil bekräftigte die Deutsche Stiftung Patientenschutz ihre Forderung nach schärferen Kontrollen für die Branche. "Für die bundesweit 330 Schwerpunktapotheken muss es eine umfassende Überwachung und Kontrolle geben", forderte Vorstand Eugen Brysch am Freitag in Dortmund. Apotheken, die Krebsmedikamente herstellen, müssten viermal im Jahr unangekündigt kontrolliert werden.

Außerdem müssten zur Sicherung möglicher Beweise nicht-verbrauchte Krebsmedikamente zentral verwahrt werden – so könnte im Nachhinein bewiesen werden, ob die vom Arzt verschriebene Wirkstoffmenge darin enthalten war.

Der Medikamentenskandal war von zwei Mitarbeitern des Apothekers aufgedeckt worden. Für ihre Enthüllungen wurden sie Ende 2017 mit dem Deutschen Whistleblower-Preis ausgezeichnet. (dpa)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Einzelfall mit Signalwirkung

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