Arbeitsrecht

Private Handynummer für Chef tabu

Mitarbeiter müssen ihrem Chef keine private Handynummer geben, sagt das Landesarbeitsgericht Thüringen.

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ERFURT. Arbeitnehmer müssen ihrem Chef nicht ihre Handynummer mitteilen. Auch für wichtige Notdienste sind Ausnahmen nur dann denkbar, wenn diese anders nicht organisiert werden können, urteilte jetzt das Thüringer Landesarbeitsgericht.

Im konkreten Fall ging es um einen Sachbearbeiter für Hygiene und Infektionsschutz im Gesundheitsamt des Landkreises Greiz in Thüringen. Früher hatte der Landkreis in diesem Ressort eine Rufbereitschaft, damit in dringenden Fällen auch außerhalb der Dienstzeiten ein Mitarbeiter rasch zur Stelle ist, etwa bei Ausbruch bestimmter Krankheiten, Problemen mit dem Trinkwasser oder einer überhöhten mikrobiologischen Belastung des Wassers in Schwimmbädern. Die Erreichbarkeit des Mitarbeiters in Rufbereitschaft wurde mittels Diensthandy gewährleistet.

Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit beschränkte der Landkreis 2017 die Rufbereitschaften auf Wochenenden, Feier- und Brückentage. In den Abend- und Nachtstunden sollte dagegen ein zufällig ausgewählter Mitarbeiter privat kontaktiert werden. 2016 hatte es 40 Anfragen in der Zeit zwischen 19.00 und 7.00 Uhr gegeben.

Im Streitfall weigerte sich der Sachbearbeiter aber, hierfür seine private Handynummer herauszugeben. Der Landkreis erteilte ihm deswegen eine Abmahnung. Mit seiner Klage verlangte der Sachbearbeiter die Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte.

Wie schon das Arbeitsgericht Gera gab dem nun auch das LAG Erfurt statt. Die Herausgabe der privaten Handynummer sei ein schwerer Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer. Der Sachbearbeiter habe seine Zustimmung nicht gegeben. Die sei zur Planung der Personaleinsätze auch nicht erforderlich, so dass der Arbeitnehmer auch nicht zur Preisgabe seiner privaten Mobilfunknummer verpflichtet war, urteilte das LAG. "Der in der Herausgabe der Nummer liegende Eingriff in sein Persönlichkeitsrecht wiegt außerordentlich schwer und steht außer Verhältnis zu den ihn rechtfertigenden Gründen.

"Denn die Preisgabe der privaten Handynummer führe dazu, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer "jederzeit und an jedem Ort" erreichen könne. Schon dies sei ein erheblicher Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Darauf, dass solche Anrufe hier nach Angaben des Landkreises nur selten seien, komme es daher nicht an. Denn allein die Möglichkeit bedeute, "dass der Kläger in seiner Freizeit grundsätzlich als Arbeitnehmer zur Verfügung steht".

Der Landkreis verlange die Nummer ausdrücklich, um den Sachbearbeiter auch in seiner Freizeit erreichen zu können. Die sei aber allein Sache des Arbeitnehmers. Dem Zugriff des Arbeitgebers könne er sich dann nur noch entziehen, indem er das Mobiltelefon ganz ausschaltet. Dann aber wäre er auch privat nicht erreichbar und könnte andere Dienste seines Smartphones nicht mehr nutzen.Im Streitfall sei die Herausgabe der Mobilnummern außerdem gar nicht erforderlich, um Noteinsätze zu koordinieren, betonten die Thüringer Arbeitsrichter.

Mit der Abschaffung der Rufbereitschaft habe der Landkreis bewusst "eine risikobehaftete Arbeitsorganisation" gewählt. "Diese selbst geschaffene Situation erweitert nicht seine Eingriffsbefugnisse in die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer/innen", heißt es in dem Urteil. Allein der Wunsch, Noteinsätze wirtschaftlicher zu organisieren, reiche zur Rechtfertigung nicht aus.

Ausnahmen sind nach dem Erfurter LAG-Urteil nur denkbar, wenn der Arbeitgeber ohne die private Mobilnummer Aufgaben des Arbeitnehmers "nicht, nicht vollständig oder nicht in rechtmäßiger Weise erfüllen kann und ihm eine andere Organisation der Aufgabenerfüllung nicht möglich oder nicht zumutbar ist". (mwo)

Landesarbeitsgericht Thüringen Az.: 6 Sa 442/17

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