Bevacizumab
EuGH gibt grünes Licht für Off-Label-Use
Europarecht steht einem Off-Label-Use dann nicht entgegen, wenn er ärztlich veranlasst ist. So befand jetzt der EuGH zum Einsatz von Bevacizumab gegen AMD.
Veröffentlicht:LUXEMBURG. Im Dauerstreit um die Behandlung der altersbedingten Makuladegeneration (AMD) mit Avastin® (Bevacizumab) hat der Europäische Gerichtshof den Off-Label-Use gestärkt. Ganz generell steht EU-Recht Off-Label-Anwendungen jedenfalls im Krankenhaus nicht entgegen urteilte der EuGH am Mittwoch.
Die Begründung der obersten EU-Richter lässt darauf schließen, dass dies auch für den ambulanten Off-Label-Use gelten könnte, der jedoch nicht Gegenstand der jetzt verhandelten Streitsache aus Italien ist. In Deutschland wird Bevacizumab häufig auch von niedergelassenen Augenärzten zur AMD-Behandlung eingesetzt. Zugelassen ist der Antikörper des Herstellers Roche allerdings nur gegen Krebs. Eine Zulassung zur Behandlung der AMD hat dagegen das Novartis-Medikament Lucentis®. Dessen Wirkstoff Ranibizumab ist mit dem von Avastin verwandt, das Mittel kostet aber ein Vielfaches.
2014 nahm die italienische Arzneimittelagentur Avastin® in die Liste derjenigen Produkte auf, deren Kosten im Rahmen einer stationären AMD-Behandlung vom nationalen Gesundheitsdienst SSN erstattet werden. Voraussetzung ist unter anderem, dass die Patienten auch über Alternativen informiert werden. Für den Off-Label-Einsatz wird Avastin® zudem in den Krankenhausapotheken neu verpackt.
Lucentis®-Hersteller Novartis hält das für unzulässig, weil Avastin® nicht gegen AMD zugelassen ist. Die italienischen Gerichte fragten daraufhin zunächst beim EuGH an, ob EU-Recht der Kostenerstattung für Avastin® in der AMD-Anwendung entgegensteht.
Dies haben die Luxemburger Richter nun verneint. Zur Begründung heißt es, für Organisation und Verwaltung des Gesundheitswesens seien die Mitgliedstaaten zuständig. Das EU-Arzneimittelrecht schreibe lediglich vor, dass „das gesamte Vertriebsnetz im Arzneimittelbereich, von der Herstellung beziehungsweise der Einfuhr in die Union bis hin zur Abgabe, einer Kontrolle unterliegt“.
Dies treffe für Avastin® zu. Dem Off-Label-Use stehe EU-Recht dann nicht entgegen, wenn er ärztlich verordnet ist. In diesem Fall führe auch die Umverpackung in der Klinikapotheke nicht dazu, dass Avastin® eine neue Verkehrsgenehmigung benötige.
Auch in Deutschland wird zur Behandlung der AMD häufig Avastin® eingesetzt. Einige Kassen haben auch ein internes Erstattungslimit, das zu einem faktischen Ausschluss von Lucentis® führt. Das Bundessozialgericht hatte 2014 entschieden, dass gesetzlich Versicherte dem Off-Label-Use nicht zustimmen müssen und auch Anspruch auf eine Behandlung mit Lucentis® haben. (mwo)
Europäischer Gerichtshof Az.: C-29/17