Werbeverbot für Abtreibungen

Die Kirche gegen Ärzte, Sozialdemokraten und Liberale

Im Streit um eine mögliche Abschaffung des Paragrafen 219a positionieren sich die Akteure: Ärzte, SPD und FDP wollen das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche reformieren – die katholische Kirche hält an ihm fest. Im Bundestag hat es heute ein zähes Ringen um das Thema gegeben.

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Silhouette eines Embryos: Der Streit um das Werbeverbot von Schwangerschaftsabbrüchen schwelt weiter.

Silhouette eines Embryos: Der Streit um das Werbeverbot von Schwangerschaftsabbrüchen schwelt weiter.

© Ruslan Ivantsov / stock.adobe.com

BERLIN. Eine Ministerrunde arbeitet in Berlin weiter an einen Kompromiss zum umstrittenen Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur gab es in dreistündigen Beratungen am Mittwoch zunächst noch kein Ergebnis.

Am Mittwoch wurde die Behandlung von Oppositionsanträgen zum Paragrafen 219a sowohl im Rechts- als auch im Gesundheitsausschuss des Bundestags von der Tagesordnung genommen. Am späten Donnerstagabend nimmt die FDP-Fraktion dann im Bundestags-Plenum einen neuen Anlauf, um das Thema auf die Agenda zu heben.

Dort dürfte sich das parlamentarische Verfahrensspiel wiederholen: Die FDP will im Anschluss an die Debatte direkt über den Antrag abstimmen lassen, dagegen plädieren CDU/CSU und SPD dafür, den Antrag zur federführenden Beratung in den Rechtsausschuss zu überweisen.

Kirche gegen Änderungen

Die katholische Kirche lehnt eine Änderung oder Streichung des Paragrafen 219a zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche ausdrücklich ab. Der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe in Berlin, Prälat Karl Jüsten, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Eine staatliche kontrollierte und finanzierte Beratung einerseits und eine weitgehend unkontrollierte, private Werbung andererseits sind miteinander schlicht nicht vereinbar.“

Die Kirche hoffe, dass sich die Partner der großen Koalition auf eine Lösung verständigen, die dem Schutz für das ungeborene Leben und dem Informationsrecht der Frau gerecht werde. Zugleich müsse unbedingt im allgemeinen Bewusstsein erhalten bleiben, „dass ein Schwangerschaftsabbruch eben keine normale, ärztliche Leistung ist, für die man öffentlich werben können sollte“.

Der Paragraf 219a des Strafgesetzbuches verbietet „Werbung“ für Schwangerschaftsabbrüche. Die SPD hatte eine Reform des Paragrafen angestoßen, einen entsprechenden Antrag im März aber aus Rücksicht auf die Union zurückgezogen. Seither wird in der Bundesregierung über einen Kompromiss verhandelt. In der SPD spitzt sich nun der Konflikt um das Werbeverbot zu. An diesem Mittwoch wollen sich die zuständigen Fachminister zu Verhandlungen treffen.

„Weder sach- noch zeitgemäß“

Der Paragraph 219a im Strafgesetzbuch „ist zu streichen“, heißt es einem Antrag der FDP. „Die Regelung ist weder sach- noch zeitgemäß“, schreibt die Partei weiter. „Der Schwangerschaftsabbruch ist eine medizinische Leistung für Frauen in einer Notlage. Gerade sie brauchen leicht zugängliche, sachliche Informationen.“ Dies verhindere Paragraph 219a, denn der Straftatbestand erfasse bereits die bloße Information über Schwangerschaftsabbrüche.

Auch Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery plädiert für eine Reform. „Der Paragraf 219a ist in einer Zeit entstanden, als es das Internet als Kommunikationsmedium noch nicht gab, daher ist er reformbedürftig“, sagte er der „Rheinischen Post“. Eine Frau, die eine Abtreibung vornehmen lassen wolle, müsse auch in Gegenden wie dem bayerischen Wald oder in Mecklenburg-Vorpommern einen niedrigschwelligen Zugang zu Beratung, Aufklärung und zu einem Arzt bekommen, der diesen Eingriff vornehme.

Montgomery weiter: „Für die Ärzte muss es die rechtlich abgesicherte Möglichkeit geben, dass sie sachlich darüber informieren können, wenn sie unter medizinisch korrekten Bedingungen diesen Eingriff vornehmen.“ Aus Sicht der Ärzteschaft könne dies über ein allgemeines Register laufen, das im Internet leicht auffindbar sei.

Jusos: Einschüchterungen und Verleumdungen

Juso-Chef Kevin Kühnert berichtete von Einschüchterungsversuchen bis hin zu Morddrohungen, nachdem der SPD-Nachwuchs Anfang Dezember die vollständige Streichung der Paragraphen 218 und 219 verlangt hatte. Die politische Rechte habe „mit widerlichsten Methoden reagiert“, schrieb er im „Handelsblatt“. „Desinformation wurde betrieben, private Telefonnummern wurden zur Einschüchterung veröffentlicht, vereinzelte Morddrohungen liefen auf.“

So hätten „Rechtsradikale jedweder Couleur“ zum Beispiel die Lüge in die Welt gesetzt, die Jusos wollten Abbrüche bis in den neunten Schwangerschaftsmonat ermöglichen. „Nichts dergleichen wollen wir, nichts dergleichen haben wir beschlossen“, betonte Kühnert. (dpa/eb)

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