Arzt und Waffenbesitz

Im „Königreich Bayern“ wohnen nicht nur Reichsbürger

Behördenmitarbeiter in der Sprache staatsbürgerlichen Querulantentums auf die Schippe zu nehmen, ist keine gute Idee, musste ein Arzt beim Ausfüllen eines Antrags feststellen. Seine Waffenbesitzkarte darf er aber behalten, wie ein Gericht entschied.

Von Frank Leth und Martin WortmannMartin Wortmann Veröffentlicht:
Wo genau liegt eigentlich Bayern – und seit wann gehört die Pfalz nicht mehr dazu?

Wo genau liegt eigentlich Bayern – und seit wann gehört die Pfalz nicht mehr dazu?

© Gerhard Seybert / stock.adobe.com

NEUSTADT/WEINSTRAßE. Ein Arzt, der in einem Behörden-Formular angibt, im „Königreich Bayern (Deutschland)“ zu wohnen, gilt deshalb noch nicht automatisch als Anhänger der Reichsbürger-Szene. Das hat kürzlich das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße entschieden. Dem klagenden Arzt kam dabei auch sein Engagement in der Ärztekammer zugute; er darf seine Waffenbesitzkarten behalten.

Der in Kaiserslautern lebende und praktizierende Mediziner ist Jäger und Sportschütze. Er ist daher auch Inhaber mehrerer Waffenbesitzkarten. 1978 hatte er erstmals einen sogenannten Staatsangehörigkeitsausweis beantragt, damit er seine Approbation als Arzt erhalten kann. Der Ausweis ist befristet und bestätigt verbindlich die deutsche Staatsangehörigkeit.

2015 musste er erneut eine Bestätigung seiner deutschen Staatsangehörigkeit einreichen – und fühlte sich dadurch offenbar leicht provoziert. In dem entsprechenden Antragsformular gab er als Wohnsitz „Kaiserslautern, Königreich Bayern (Deutschland)“ an. Früher habe er in „Langen, Großherzogtum Hessen, Deutschland“ gelebt. Zum „Königreich Bayern“ gehörte von 1806 bis 1918 auch die linksrheinische Pfalz.

Da versteht die Stadt keinen Spaß

Zuerst erhielt der Arzt damit sogar den begehrten Nachweis. Als er dann aber noch monierte, sein Nachname sei falsch, nämlich ausschließlich in Großbuchstaben geschrieben, wurde es den Mitarbeitern der Stadt Kaiserslautern zuviel. Die Stadt widerrief die dem Arzt erteilten Waffenbesitzkarten und auch den kleinen Waffenschein.

Zur Begründung führte die Stadt an, der Arzt gehöre zur Reichsbürgerszene. „Reichsbürger“ verneinten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und lehnten die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung ab. Daher sei der Jäger und Sportschütze „waffenrechtlich unzuverlässig“. Es gebe bei ihm ein Risiko der missbräuchlichen Verwendung von Schusswaffen.

Nach erfolglosem Widerspruch zog der Arzt vor Gericht. Der Reichsbürger-Vorwurf sei abwegig. Das Verwaltungsgericht Neustadt gab ihm nun recht; der Widerruf der Waffenbesitzkarten sei rechtswidrig. Zwar könnten die Angaben des Arztes ein Indiz für die Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene sein. So könnten die Begriffe „Königreich Bayern“ und „Großherzogtum Hessen“ darauf hinweisen, dass der Antragsteller die Gründung der Bundesrepublik Deutschland in Abrede stellt.

Allerdings hätte die Stadt eine „Gesamtbetrachtung“ vornehmen müssen, die auch die „Lebensführung des Klägers“ berücksichtigt. Der Arzt lebe seit über 30 Jahren in Kaiserslautern. Er sei Mitglied in mehreren Ärztekammern und in Gerichtsverfahren als von der Ärztekammer benannter Gutachter engagiert.

Es gebe im beruflichen Umfeld keine Erkenntnisse, dass er die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland ablehne oder die Legitimation des deutschen Staates missachten könnte.

Kein Risiko ersichtlich

„Vor diesem Hintergrund erschienen seine Angaben als Einzelfälle einer rein verbalen Provokation im situativen Zusammenhang“, befanden die Verwaltungsrichter. Ein solcher „Ausrutscher“ rechtfertige noch nicht die Annahme, der Arzt lehne das Grundgesetz und die darauf fußende Rechtsordnung ab – und damit insbesondere auch die Vorgaben des Waffengesetzes.

Auch ein konkretes Risiko, dass der Arzt künftig Schusswaffen und ihre Munition nicht ordnungsgemäß verwahren oder mit ihnen nicht sorgfältig umgehen könnte, sei jedenfalls derzeit nicht ersichtlich.

Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Az.: 5 K 836/18.NW

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