Urteil

Nach Kiffen am Steuer – trotzdem Arbeitsunfall

Auch bei Arbeitsunfällen unter THC-Einfluss greift die berufsgenossenschaftliche Leistungspflicht, so das Sozialgericht Osnabrück. Begründung: Es gebe keinen gesichterten Wert, ab wie viel THC im Blut ein Autofahrer absolut fahruntüchtig ist.

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Cannabis im Blut verstößt zwar gegen die StVO, schließt aber nicht komplett die Fahrtüchtigkeit aus, so das Sozialgericht Osanbrück.

Cannabis im Blut verstößt zwar gegen die StVO, schließt aber nicht komplett die Fahrtüchtigkeit aus, so das Sozialgericht Osanbrück.

© Parilov / stock.adobe.com

OSNABRÜCK. Darf eine Berufsgenossenschaft die Anerkennung eines Unfalls auf dem Weg zur Arbeit verweigern, nur weil der Verunfallte unter THC-Einfluss stand? So ohne weiteres nicht, entschied kürzlich das Sozialgericht Osanbrück in einem jetzt veröffentlichten Urteil (Az.: S 19 U 40/18).

Geklagt hatte ein heute 38-Jähriger, der mit seinem E-Bike auf dem Weg zur Arbeit angefahren wurde. Den von rechts kommenden PKW hatte er nach eigener Aussage „schlicht übersehen“. Im Zuge der Ermittlungen gab der Mann an, am Vorabend Cannabis geraucht, während des Unfallhergangs jedoch nicht mehr unter Drogeneinfluss gestanden zu haben.

Nachweisen ließen sich bei ihm noch ein THC-Wert von 10 ng/ml Serum. Die Berufsgenossenschaft verweigerte daraufhin Leistungen mit der Begründung, der THC-Wert sei ausreichend um von einem drogenbedingten Fehlverhalten des Klägers auszugehen.

Richter widersprechen Berufsgenossenschaft

Das sahen die Sozialrichter anders: Zum einen schließe „ein verbotswidriges Handeln den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung nicht grundsätzlich aus“, wie es in einer Gerichtsmitteilung heißt. Zweitens greife in diesem Fall auch das Rechtsinstitut der „selbstgeschaffenen Gefahr“ nicht, da es für Cannabis im Unterschied zu Alkohol keine gesicherte Dosis-Wirkungs-Beziehung gebe „und damit auch keinen Wert für eine absolute Fahruntüchtigkeit“.

Vielmehr hätte die Berufsgenossenschaft beweisen müssen, dass der Kläger „rauschmittelbedingt zu einer zweckgerichteten Absolvierung des Weges nicht mehr imstande gewesen ist“. Das habe sich aber „nicht feststellen lassen“, heißt es weiter.

Der Kläger habe sich zwar nicht an die Straßenverkehrsordnung gehalten, als er es versäumte, auf den Vorfahrtsverkehr zu achten. Eine solche Nachlässigkeit könne aber auch ohne Drogeneinfluss geschehen.

Mit Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts betonten die Richter, dass Unachtsamkeit oder Fahrlässigkeit keineswegs den Versicherungsschutz beendeten. Und weder Zeugen noch Notärzte hätten bei dem Mann „irgendwie geartete drogenbedingte Anzeichen festgestellt“. (cw)

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