Köln

Gericht weist Contergan-Klagen ab

Das Verwaltungsgericht Köln hat die Klagen von vier Contergan-Opfern auf Entschädigungszahlungen zurückgewiesen. Der behauptete Zusammenhang zwischen Thalidomid und bei ihnen aufgetretenenen Gefäßschäden sei nicht ausreichend erwiesen.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Lieferte eine Gefäßstudie neue Erkenntnisse, könnten die Opfer erneut Entschädigung beantragen.

Lieferte eine Gefäßstudie neue Erkenntnisse, könnten die Opfer erneut Entschädigung beantragen.

© Andres Kudacki / AP Photo

KÖLN. Contergan-Geschädigte haben keinen Anspruch auf Entschädigungsleistungen für Gefäßschäden durch den Wirkstoff Thalidomid. Das hat das Verwaltungsgericht Köln am Dienstag entschieden und vier Klagen gegen die bundeseigene Contergan-stiftung zurückgewiesen.

Die Contergan-Opfer, deren Mütter während der Schwangerschaft das Präparat mit dem Wirkstoff Thalidomid eingenommen hatten, leiden unter Gefäßschäden wie fehlenden oder verdrehten Blutbahnen und verlagerten Nervenbahnen. Sie führen dies ebenso wie orthopädische Fehlbildungen oder weitere Schäden auf Contergan zurück.

Die Conterganstiftung hält den Zusammenhang dagegen für nicht bewiesen und will zunächst die Ergebnisse einer Studie zum Zusammenhang von Contergan und Gefäßschäden abwarten, die sie zurzeit vorbereitet.

Kritik an „Frontstellung“

Das Verwaltungsgericht teilt diese Sicht der Dinge. Bei den Gefäßschäden handele es sich um einen „recht unsicheren Sachverhalt“, sagte der Vorsitzende Richter Andreas Fleischfresser bei der Urteilsverkündung. Die bisher vorliegenden Erkenntnisse über die Wirkung von Thalidomid sagten nichts über den Einfluss des Wirkstoffs auf die embryonale Entwicklung. Ein solcher Zusammenhang sei auch praktisch nicht zu beweisen. „Man kann keine Versuche an Embryonen durchführen“, betonte Fleischfresser.

Deshalb müsse man mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten, dafür sei die von der Stiftung geplante Gefäßstudie der richtige Ansatz. „Es gibt aus unserer Sicht keinen anderen Weg.“ Der Richter kritisierte auch, dass sich bei dem Thema eine „Frontstellung“ zwischen den Betroffenen und der Conterganstiftung aufgebaut habe, an der seiner Meinung nach beide Seiten Schuld trügen. Anders als die Kläger habe das Gericht aber nicht den Eindruck gewonnen, die Stiftung würde mauern.

Nach Studie neue Anträge möglich

Fleischfresser wies außerdem darauf hin, dass die für die Entschädigungsleistungen entscheidende medizinische Punktetabelle nicht abschließend sei, sondern erweitert werden könne. „Aber das muss abgesichert sein.“ Sollte die Gefäßstudie neue Erkenntnisse liefern, könnten die Kläger erneut Leistungen bei der Stiftung beantragen. Fleischfresser wies auch darauf hin, dass ein Teil der geltend gemachten Schäden bereits mit den Leistungen für andere Schäden abgegolten seien.

Die Kläger sind überzeugt, dass die Stiftung auf Zeit spielt. Wenn tatsächlich in fünf Jahren Ergebnisse der Studie vorliegen sollten, käme das für etliche Betroffene zu spät, kritisiert Stephan Nuding, einer der Kläger. „Bis dahin werden wahrscheinlich weitere 200 Betroffene gestorben sein.“. Es sei bereits zu viel Zeit vergangen, seit die Möglichkeit von Gefäßschädigungen durch Thalidomid bekannt sei.

„Die Stiftung hätte das viel früher aufgreifen müssen“, findet Nuding. Klägerin Friederike Winter ist empört darüber, dass die Betroffenen nicht ausreichend aufgeklärt und vor möglichen Gefäßschäden gewarnt würden. In der Wissenschaft sei das Thema schon länger bekannt. „Die Stiftung hat eine Garantenstellung, ihrer Garantenpflicht kommt sie aber nicht nach“, so Winter.

Sie verstehe nicht, dass das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung die bereits vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse außen vor gelassen habe.

Die Conterganstiftung weist die Vorwürfe zurück. Nach ihren Angaben reichen die bisherigen Erkenntnisse nicht aus. Um diese Lücke zu schließen, arbeite man mit Hochdruck an der Gefäßstudie.

Verwaltungsgericht Köln Az.: 7 K 5034/16, 7 K 9909/16, 7 K 9912/16, 7 K 2132/17

Bei den Gefäßschäden handelt es sich um einen recht unsicheren Sachverhalt“.

Andreas Fleischfresser, Vorsitzender Richter

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