Westfalen-Lippe

Abschied von der Richtgrößenprüfung

KV-Chef Dryden hält Richtgrößen für nicht mehr nachvollziehbar. Er plädiert dafür, den Fokus auf eine medizinisch gesteuerte Verordnungspraxis zu legen. Leitsubstanzen sieht er dafür als das richtige Instrument.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Regress als finale Sanktion: Die ökonomisch gesteuerte Verordnungspraxis hat aus Sicht der KV Westfalen-Lippe keine Zukunft mehr.

Regress als finale Sanktion: Die ökonomisch gesteuerte Verordnungspraxis hat aus Sicht der KV Westfalen-Lippe keine Zukunft mehr.

© Gina Sanders / fotolia.com

KÖLN. Die KV Westfalen-Lippe (KVWL) will die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Arzneimitteln langfristig völlig neu ausrichten.

"Wir müssen von einer ökonomisch gesteuerten Verordnungspraxis zu einer medizinisch gesteuerten Verordnungspraxis kommen", sagt der KVWL-Vorsitzende Dr. Wolfgang-Axel Dryden der "Ärzte Zeitung". Um das zu erreichen, will die KVWL das System der Leitsubstanzen deutlich ausbauen.

Zurzeit arbeitet die KVWL mit rund 20 Leitsubstanzen. Das ist angesichts der Vielzahl der am Markt befindlichen Arzneimittel zwar wenig, vom Umsatz her decken sie aber einen relevanten Bereich ab.

"Es sind die Blockbuster zur Therapie der häufigsten chronischen Krankheiten", sagt Dryden.

Verordnungsmarkt über Leitsubstanzen

Die Orientierung der Ärzte an Leitsubstanzen habe sich bewährt, denn das Prinzip sei einfach und medizinisch nachvollziehbar.

"Es geht darum, welche Substanzen am besten dokumentiert sind und die höchste Evidenz haben." Drydens Ziel ist es, den gesamten Verordnungsmarkt so weit wie möglich über die Leitsubstanzen zu erfassen.

Das würde die Abschaffung der Richtgrößenprüfungen ermöglichen, hofft er. "Sie sind ein nicht nachvollziehbares Instrument."

Schließlich haben die niedergelassenen Ärzte angesichts der Rabattverträge, der Substitution in der Apotheke und der frühen Nutzenbewertung schon lange keinen Einfluss mehr auf den Preis der von ihnen verordneten Arzneimittel, sagt der Allgemeinmediziner. "Ich entscheide doch nicht mehr, welches Präparat abgegeben wird, sondern welcher Wirkstoff."

Deshalb sollten Ärzte auch nur dafür haftbar gemacht werden können, ob sie die richtigen Wirkstoffe verordnen, und nicht dafür, welche ökonomischen Auswirkungen das hat.

"Ob etwas richtig oder falsch verordnet wurde, erkenne ich nicht am Preis", betont Dryden.

Neues Modell der Wirschaftlichkeitsprüfung

Wie verkehrt die bisherige Systematik ist, zeige sich auch daran, dass es bei der Richtgrößenprüfung nie eine Rolle gespielt habe, was bei Ärzten passiert, die unterhalb ihrer Richtgröße bleiben.

Das sei mit Blick auf die Versorgungsqualität aber wichtig. Es könne durchaus sein, dass solche Ärzte ihren Patienten Therapien vorenthalten oder ihnen Medikamente ohne Wirksamkeitsbeleg verordnen.

Dryden will bei den Krankenkassen und bei der Politik für sein neues Modell der Wirtschaftlichkeitsprüfung werben. "Wir brauchen den politischen Konsens, dass es Alternativen zur Richtgrößenprüfung geben muss."

Zunächst möchte er den Ausbau der Leitsubstanzen in der "Gesundheitsregion Siegerland" testen. Er will das Konzept den beteiligten Kassen anbieten.

"Es ist sinnvoll, das Verfahren in einer begrenzten Gruppe zu erproben und dann zu sehen, ob es auch landesweit funktionieren könnte."

Zudem sei es wichtig, die ärztliche Basis in das Projekt einzubeziehen.

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