Versandhandel

Meinung noch nicht gebildet

Die Regierung will derzeit nicht sagen, was sie über die Strukturentwicklung im Apothekenmarkt weiß. Für die Grünen-Politikerin Kordula Schulz-Asche ein Indiz, dass sich das geplante Versandhandelsverbot lediglich auf "unbelegte Vermutungen" stützt.

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BERLIN. Die Meinungsbildung innerhalb der Bundesregierung zum Verbot des Versandhandels mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln ist "noch nicht abgeschlossen", heißt es in einer Antwort auf eine kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen. Die Fraktion hatte unter anderem wissen wollen, für wie alternativlos die Bundesregierung das vom Gesundheitsministerium zur Rettung der Arzneimittelpreisbindung entworfene Verbot des Rx-Versands hält, aber auch, welche Belege sie für die vom Gröhe-Ressort aufgestellte Behauptung hat, der Versandhandel gefährde bei gleichzeitiger Aufgabe der Preisbindung für ausländische Versandapotheken – wie durch das EuGH-Urteil zu Rx-Boni unmittelbar verlangt – die flächendeckende Apothekenpräsenz. Diese und nahezu sämtliche weiteren Fragen der Grünen will die Bundesregierung derzeit aber nicht beantworten.

Bemerkenswert ist, dass sie zudem weder konkrete Erkenntnisse über regionale Konsolidierungstendenzen noch über spezifische Nachfolgeprobleme im Apothekenmarkt mitteilen will. Auf solche Details aber käme es den Hinweisen des EuGH zufolge entscheidend an, wenn das geplante Verbot des Rx-Versands nicht im Notifizierungsverfahren der EU-Kommission Schiffbruch erleiden soll. In ihrer Antwort verweist die Bundesregierung lediglich auf "öffentlich zugängliche Daten zur Entwicklung der Apothekenzahlen".

Zahlen sagen wenig

Die erhebt alljährlich der Apothekerdachverband ABDA. Demnach war seit der Wiedervereinigung zunächst eine deutliche Zunahme öffentlicher Apotheken zu verzeichnen. Seit 2009 geht die Anzahl der Betriebsstätten aber wieder zurück. 1990 gab es laut ABDA-Statistik 19.896 Haupt- und Filialapotheken, 2008 wurde mit insgesamt 21.602 Betrieben ein Höchststand erreicht. Ende 2016 waren es 20.023 öffentliche Apotheken.

Gründe für diesen aktuellen Rückgang sind laut Verband "die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, der lokale Verdrängungswettbewerb und die schwierige Nachwuchssuche". Der vom Europäischen Gerichtshof geforderte Beleg dafür, dass Rx-Boni die flächendeckende Versorgung durch öffentliche Apotheken gefährdeten, ist diesen Zahlen allerdings nicht zu entnehmen.

So sieht das auch die Grünen-Gesundheitsexpertin Kordula Schulz- Asche: "Die Behauptung von Minister Gröhe, nur die Preisbindung sei Garant für die flächendeckende Versorgung, entbehrt jeder empirischen Grundlage. Dass für Minister Gröhe allein das Rx-Versandhandelsverbot die Lösung sei, liegt daran, dass er sich mit anderen gar nicht beschäftigt hat."

Der EuGH habe der staatlichen Regulierung des Apothekenmarkts "hohe Hürden gestellt", kommentiert Schulz-Asche, denen der vorliegende Gesetzentwurf zum Verbot des Rx-Versands "in keiner Weise gerecht wird". Die Grünen-Politikerin erneuerte ihre Forderung nach einer schnellen gesetzlichen Regelung, die "rechtssicher die Gleichbehandlung von ausländischen und inländischen Apotheken herstellt und für die Apothekenabgabepreise Leitplanken gegen ruinösen Wettbewerb schafft".

Erst kürzlich hatte Schulz-Asche etwa Unterstützung für den SPD-Vorschlag signalisiert, Rezept-Boni bis zur wettbewerbsrechtlichen Bagatellschwelle von einem Euro je Packung zu erlauben.

dPV gibt Unterlassungserklärung ab

Unterdessen hat sich das beim OLG Düsseldorf anhängige Verfahren zwischen der Wettbewerbszentrale und der Deutschen Parkinsonvereinigung (dPV), das den jüngsten Streit um Preisbindung und Versandhandel ins Rollen gebracht hatte, erledigt. Wie die Wettbewerbshüter am Donnerstag mitteilten, habe die dPV "den streitigen Unterlassungsanspruch anerkannt und die geforderte Unterlassungserklärung abgegeben". Demnach wird die Parkinsonvereinigung nicht länger Rx-Boni der niederländischen Versandapotheke DocMorris bei ihren Mitgliedern bewerben.

Vereinsgeschäftsführer Friedrich-Wilhelm Mehrhoff räumt ein, das habe "einige Mitglieder verwundert". Mehrhoff begründet "diesen Seitenwechsel" mit der Chance zur Verbesserung der Versorgung von Parkinson-Patienten durch öffentliche Apotheken, wie sie eine Kooperation eröffne, die die dPV Mitte Februar mit der ABDA eingegangen war (wir berichteten). (cw)

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