Prognose

Krebsmedikamente dürften bezahlbar bleiben

Prognosen und Analysen zur Ausgabenentwicklung im Krebsmittelmarkt haben Konjunktur. Münchener Gesundheitsökonomen raten zu mehr Gelassenheit.

Christoph WinnatVon Christoph Winnat Veröffentlicht:
Auch gesetzlich Versicherte werden in den kommenden Jahren von neuesten Krebsmitteln nicht ausgeschlossen sein, prognostizieren Gesundheitsökonomen.

Auch gesetzlich Versicherte werden in den kommenden Jahren von neuesten Krebsmitteln nicht ausgeschlossen sein, prognostizieren Gesundheitsökonomen.

© Photographee.eu / Fotolia

MÜNCHEN. In der forschenden Pharmabranche ist die Onkologie unbestritten das Gebiet, in das derzeit die meisten F&E-Gelder fließen. Vielversprechende neue Ansätze wie insbesondere die Krebs-Immuntherapie scheinen den Aufwand zu rechtfertigen. Auf Kostenträgerseite wächst im Gegenzug die Befürchtung, die Innovationskomponente könnte in absehbarer Zeit schon budgetsprengende Wirkung entfalten.

Zu unrecht, wie jetzt jedenfalls das Münchener Institut für Gesundheitsökonomik in einem neuen Report nahelegt; Mitherausgeber ist die deutsche Landesgesellschaft des US-Konzerns Bristol-Myers Squibb.

Zwar würden die Ausgaben für Krebsmittel aufgrund der demografischen Entwicklung sowie der Innovationskraft der forschenden Pharmaindustrie steigen. "Wer aber von einer ‚Kostenexplosion‘ oder einer ‚Kostenlawine‘ spricht, malt ein Katastrophenszenario, das bei genauer Betrachtung der Fakten überzeichnet ist", heißt es in dem Bericht.

Stabiler Trend?

Demnach hat sich der Anteil für onkologische Präparate an den gesamten GKV-Arzneimittelausgaben von 10,3 Prozent in 2011 auf 12,7 Prozent in 2016 erhöht. Absolut entspricht das einem Ausgabenanstieg für Onkologika von 3,54 Milliarden Euro auf 5,35 Milliarden.

Bis 2019 rechnen die Autoren mit einer weiteren Zunahme des Ausgabenanteils auf 13,4 bis höchstens 14,8 Prozent oder 6,27 bis 6,82 Milliarden Euro.

In Relation zur bundesrepublikanischen Wirtschaftskraft fällt die veranschlagte Wachstumskurve sogar noch flacher aus: 2011 entsprachen laut Studie die Ausgaben der gesetzlichen Kostenträger für Krebsmedikamente 0,13 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), 2016 waren es 0,17 Prozent. Bis 2019 erwarten die Autoren eine Zunahme auf 0,18 bis maximal 0,20 Prozent.

"Damit wachsen die Ausgaben für Onkologika kaum stärker als die Wirtschaftskraft". Und es sei auch nicht zu erwarten, "dass sich dies in den kommenden Jahren entscheidend verändern wird". So würden steigende Ausgaben für neue Krebsmittel teilweise durch Patentabläufe bei älteren Produkten und infolgedessen generischem oder Biosimilarwettbewerb kompensiert.

Zahlungsbereitschaft hoch

Ausgabendämpfend wirkten sich schließlich auch weiterhin die Preisverhandlungen nach früher Nutzenbewertung sowie wachsender Originalanbieter-Wettbewerb aus, wie er angesichts der florierenden onkologischen Forschung zu erwarten sei.

Wachstumsprognosen – für das weltweite Krebsmittelgeschäft – hatte kürzlich auch der Marktforscher Iqvia veröffentlicht. Demnach wird mittelfristig (bis 2022) ein durchschnittliches jährliches Marktwachstum zwischen zehn und 13 Prozent in Aussicht gestellt.

Eklatant verteuerten sich allerdings die Jahrestherapiekosten für die jüngsten Krebsinnovationen: Während sie für eine 2013 eingeführte onkologische Neuerung laut Iqvia im Schnitt 79.000 Dollar betrugen, wurden für einen 2017 erstmals eingeführten Krebswirkstoff im Schnitt 150.000 Dollar pro anno fällig.

Damit wäre die Grenze der – nicht näher spezifizierten – Zahlungsbereitschaft, wie sie Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) in einer Metaanalyse aus 120 ökonomischen Studien ermittelt haben wollen, bald erreicht. Für ein gewonnenes Lebensjahr wurde im europäischen Mittel eine Zahlungsbereitschaft von rund 158.000 Euro herausgefunden.

Für Deutschland geben die DKFZ-Experten eine etwas höhere Zahlungsbereitschaft an, nämlich knapp 174.000 Euro. In Nordamerika dagegen werde ein gewonnenes Lebensjahr sogar mit 271.000 Euro bewertet.

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