Auktionsportal für Zahnersatz

Zweite Meinung oder Sparprogramm?

Weil die Ergo Direkt Versicherung ihren Kunden die Nutzung eines Zahnarzt-Auktionsportals als Service anbietet, ist nun ein Streit zwischen Versicherer und Bundeszahnärztekammer entbrannt. Wer profitiert tatsächlich vom Auktionsportal?

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Zweite Meinung oder Sparprogramm?

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KÖLN. Die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Ergo Direkt Versicherung streiten über die Kooperation des Direktversicherers mit 2te-Zahnarztmeinung, einem Auktionsportal für Zahnersatz. Die BZÄK hält solche Portale grundsätzlich für ungeeignet, während der Versicherer in ihnen ein Mittel der Transparenz und der Kostensenkung sieht.

Unter www.2te-zahnarztmeinung.de können Patienten anonym den Heil- und Kostenplan ihres Zahnarztes einstellen; Dentisten aus der Umgebung können günstigere Angebote abgeben. Ergo Direkt bietet die Nutzung des Portals seit August 2012 als Service an. Ihn haben 23.000 bislang Versicherte in Anspruch genommen. Dadurch sind die Kosten für den Zahnersatz um 4,3 Millionen Euro gesunken.

In einem offenen Brief fordert BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel den Vorstandsvorsitzenden von Ergo Direkt, Peter Stockhorst, auf, "dieses vergiftete Serviceangebot kritisch zu hinterfragen und im Ergebnis einzustellen". Der Grund: "Es belastet das für eine erfolgreiche Heilbehandlung existenzielle Vertrauensverhältnis zwischen Zahnarzt und Patient, wie das Verhältnis zwischen Zahnärzteschaft und privater Krankenversicherung."

Engel wirft dem Versicherer vor, Informationen aus dem Heil- und Kostenplan ungefragt in dem Portal einzustellen und dem Versicherten dann die vermeintlich günstigeren Kostenangebote zur Verfügung zu stellen. Was ihn besonders ärgert: Geht der Versicherte für ein Beratungsgespräch zu einem der genannten Zahnärzte, erhält er 50 Euro.

Der Kunde entscheide, ob er den Service nutzen will oder nicht, schreibt Stockhorst in der Antwort an Engel. Nur mit seiner Zustimmung stelle Ergo Direkt den anonymisierten Heil- und Kostenplan in das Auktionsportal ein. "Ihre Behauptung, wir würden systematisch Daten ohne Einwilligung des Patienten weitergeben, ist schlichtweg falsch." Die 50 Euro sind nach Angaben von Ergo Direkt eine Aufwandspauschale. Der Patient erhält sie auch, wenn er sich nicht für die günstigste Behandlung entscheidet.

Engel wirft Ergo Direkt vor, mit dem Angebot die freie Arztwahl unzulässig einzuschränken. "Das ungefragte Vorausfüllen der Anfrage bei www.2te-Zahnarztmeinung.de in Kombination mit dem Versprechen, dem Versicherungsnehmer 50 Euro für das Aufsuchen eines anderen Zahnarztes zahlen zu wollen, setzt den Versicherungsnehmer unangemessen unter Druck."

Auch diese Kritik hält Stockhorst für unberechtigt. "Im Gegenteil: Mit dem Zahnkosten-Optimierer stärken wir die Macht der Patienten. Sie können den Service zur Preis-Transparenz nutzen oder nicht", schreibt er. Auf Basis des Preisvergleichs hätten die Kunden die Möglichkeit, nochmals mit ihrem Zahnarzt zu sprechen oder den Zahnarzt zu wechseln. "Wir werden unsere Kunden bei diesen Entscheidungen nicht bevormunden – und Sie sollten das auch nicht tun."

Die BZÄK lehnt Auktionsportale grundsätzlich ab. Ein anonymes Portal sei für das Einholen einer Zweitmeinung ungeeignet. Die Wahl der richtigen Therapiealternative hänge von vielen subjektiven und objektiven Faktoren ab, sagt Engel. "Sogenannte Auktionsportale für Zahnersatz reduzieren zahnmedizinische Versorgung allein auf den Preis und sind damit nicht geeignet, den Patienten Hilfestellung zu geben."

Natürlich sei die Behandlung mehr als die Summe eines Heil- und Kostenplanes, antwortet Stockhorst. Auch bei der Zahnkosten-Optimierung spielten die von Engel genannten Faktoren eine Rolle. "Genau aus diesem Grund erstellt der Zweitzahnarzt den alternativen Heil- und Kostenplan erst dann, wenn er den Patienten eingehend untersucht hat."

Engel lässt die Erklärungen nicht gelten. "Wir halten dieses Geschäftsgebaren nach wie vor für fragwürdig", sagt er. Ergo Direkt gehe es nicht darum, dem Patienten zu nutzen, sondern um wirtschaftliche Eigeninteressen. Nicht der Patient solle sparen, sondern der Versicherer durch die Versteigerung des Heil- und Kostenplans. Mit der Zahlung von 50 Euro versuche das Unternehmen, Patienten zu steuern. "Würde ein Zahnarzt Vergleichbares tun, käme er berufsrechtlich wegen Patientenzuweisung gegen Entgelt und strafrechtlich wegen Korruptionsverdachts in die Bredouille", sagt er.

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