Patientensicherheit

Die Kraft der Worte im Gesundheitswesen

Gute Kommunikation im Gesundheitswesen ist mehr, als nur den richtigen Ton zu treffen. Sie hilft heilen und Fehler zu vermeiden.

Von Susanne Werner Veröffentlicht:
Zeit für gute Gespräche mit Patienten ist knapp. Das gilt für den Klinikalltag wie auch für die Praxis. Doch der Austausch ist wichtig, um Fehler zu vermeiden und hilft Patienten weiter.

Zeit für gute Gespräche mit Patienten ist knapp. Das gilt für den Klinikalltag wie auch für die Praxis. Doch der Austausch ist wichtig, um Fehler zu vermeiden und hilft Patienten weiter.

© Syda Productions / stock.adobe.com

Wer gute und hilfreiche Gespräche mit Patienten führen will, muss im medizinischen Alltag hohe Hürden nehmen. Der Alltag in Praxen und Kliniken ist zeitlich eng getaktet und aufgrund einer Vielzahl an Aufgaben stressbeladen. Ärzten und Pflegekräften zu empfehlen, sich mehr Zeit für einen intensiven Austausch zu nehmen, dürfte zuweilen wie ein gut gemeinter, aber kaum einlösbarer Ratschlag ankommen. Dennoch ist der Hinweis auf die Kraft der Worte zutiefst wahr – vorausgesetzt, dass gute Kommunikation nicht nur ein Schlagwort bleibt, auf das man allenfalls in Krisenzeiten zurückgreift.

Mehr als eine Ressource

Unter dem Titel "Reden ist der beste Weg" hat das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) einen Ratgeber veröffentlicht, der Patienten und Angehörige unterstützten soll, wenn eine medizinische Behandlung schiefgegangen ist. Sicherlich, das Aufklären über Patientenrechte und über Fehler in der Medizin ist wichtig und notwendig. Wer daraus den Rückschluss zieht, dass Gespräche vor allem bei Fehlern und Problemen zu führen sind, hat die Tiefe des Themas nicht durchdrungen. Eine gute Kommunikation ist vielmehr eine entscheidende Ressource im Gesundheitswesen, die Ärzte, Therapeuten, Pflegende und Patienten täglich aufs Neue immer wieder heben müssen.

Schließlich geht es bei Gesundheit und Krankheit oft um Existenzielles. Starke Gefühle wie Hoffnungen und Ängste schwingen bei jeder schweren Diagnose mit. Der Freiburger Medizinethiker Giovanni Maio beschreibt eine Erkrankung als "Abschied und Neubeginn zugleich". Sie durchkreuzt alle bisherigen Pläne des Patienten, suspendiert dessen gewohnte Alltagsabläufe, widerspricht den bisherigen Sicherheiten und fordert ihn auf, seinen Lebensweg neu zu bewerten. Jede Krankheit muss also nicht nur medizinisch gut behandelt werden, sondern vom Patienten selbst – wie andere Krisen auch – psychisch und sozial bewältigt werden.

"Kern des ärztlichen Handelns"

Eine gute Kommunikation zwischen Arzt und Patienten kann zur Genesung einiges beitragen. Vorausgesetzt, die Beteiligten reden nicht erst miteinander, wenn sämtliche Geräte, Operationen, Tabletten versagt haben. Die Allgemein- und Familienmediziner sehen im Arzt-Patienten-Gespräch zurecht den "Kern des ärztlichen Handelns". Neben aller Fachlichkeit geht es darum, sich menschlich zu begegnen und im Austausch miteinander zu einer Verständigung zu kommen. Die Zuwendung des Mediziners zu seinem Patienten ist ein Teil des Heilungsprozesses und beileibe nicht blankes Gerede. Forscher des Instituts für Rehabilitationsforschung in Norderney haben beispielsweise belegt, dass ein guter Kontakt zwischen Patienten und Behandlern langfristig zu positiven, messbaren Behandlungsergebnissen führt. Rehabilitanden, die den Austausch mit ihren Ärzten und Therapeuten als hilfreich eingestuft hatten, litten auch sechs Monate nach der Entlassung aus der Rehaklinik weniger unter Schmerzen, waren seltener depressiv verstimmt und kürzer krankgeschrieben.

Gute Kommunikation erschöpft sich jedoch nicht in einem gelungenen Gespräch. Wenn Klebeetiketten im OP-Saal vertauscht, Patienten verwechselt oder Anordnungen falsch verstanden werden, wie dies das APS jüngst bemängelte, dann ist auch die Organisation der Abteilung und die Zusammenarbeit im Team auf den Prüfstand zu stellen. Vielleicht sind sich die Mitarbeiter gar nicht der gemeinsamen Prozessschritte und ihrer Verantwortung darin bewusst, die eine komplexe Operation oder medizinische Behandlung erfordert? Nach Studien der Medizinische Hochschule Hannover sind Reha-Kliniken beispielsweise dann erfolgreich, wenn sie konsequent die Zusammenarbeit der Teams fördern und Patienten an der Entwicklung der Therapieziele beteiligen. Gute Kommunikation zeigt sich in einer Haltung, die sich bewusst in Bezug setzt zu dem, was aktuell notwendig ist – egal, ob das Gegenüber ein Patient, ein Kollege oder auch der Chefarzt ist.

Gute Kommunikation, die auf einer gelebten Kultur der gemeinsam getragenen Verantwortung aufbaut, mindert nicht nur die Gefahr von Behandlungsfehlern, sondern stärkt bei den Beschäftigten die Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit und sichert letztlich auch die Qualität der Patientenbehandlung.

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