Streit um Abfindung

Ertragswert und Verkehrswert unterscheiden

Scheidet ein Partner aus der Gemeinschaftspraxis aus, wird häufig um den Abfindungsbetrag gerungen. Dabei müssen Ärzte zwei Perspektiven bedenken.

Von Oliver Frielingsdorf Veröffentlicht:
Zwist unter Kollegen? Bei einem Inhaberwechsel sollten Ärzte eine Liste mit strittigen Fragen zugunsten eines Konsenses abarbeiten.

Zwist unter Kollegen? Bei einem Inhaberwechsel sollten Ärzte eine Liste mit strittigen Fragen zugunsten eines Konsenses abarbeiten.

© Yuri Arcurs / stock.adobe.com

KÖLN. Wenn ein Partner einer Berufsausübungsgemeinschaft aus der Ärzte-Gemeinschaft ausscheidet, sind Auseinandersetzungen über den Praxiswert vielfach an der Tagesordnung. Denn vom Praxiswert hängt nicht nur die an den austretenden Partner zu zahlende Abfindung ab. Er beeinflusst auch die Chancen der verbleibenden Ärzte, einen neuen Kollegen zu finden, der sich zu ebendiesem Preis in die Praxis einkaufen soll. Die Liste der strittigen Punkte und Fragen ist häufig lang:

- Wird die Zulassung mitgenommen oder bleibt sie in der Praxis?

- Werden Patienten durch den ausscheidenden Partner mitgenommen?

- Wird Personal mitgenommen?

- Verliert die Praxis durch das Ausscheiden eines Partners wichtige Qualifikationen oder Abrechnungsgenehmigungen?

- Lässt sich der ausgeschiedene Partner im Umfeld nieder?

- Kann ein Nachfolger gefunden werden? Und wessen Aufgabe ist es, diesen zu finden?

All diese Fragen sollten zugunsten eines Konsenses diskutiert werden. Kann etwa für einen ausscheidenden Praxispartner mit besonderen Qualifikationen und Genehmigungen kein entsprechend ausgestatteter Nachfolger gefunden werden, kommt es über die Auszahlung einer Abfindung nicht selten zur gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen den ehemaligen Kollegen. Dort ist zu klären, ob der Verlust von Genehmigungen oder Qualifikationen bei Ausscheiden des betreffenden Partners objektiv unvermeidlich war – weil beispielsweise eine Genehmigung zum Speziallabor generell nicht mehr zu erhalten ist. Ist dies der Fall, wurde mit Kündigung der Gemeinschaftspraxis durch den ausscheidenden Partner der Praxiswert – und damit je nach gesellschaftsvertraglicher Regelung auch dessen Abfindung – entsprechend gemindert.

In der Praxis kann die Problematik zu folgendem Szenario führen: Ein Partner einer Gemeinschaftspraxis scheidet aus Altersgründen aus und verlangt die im Gemeinschaftspraxis-Vertrag festgeschriebene Abfindung. Die verbleibenden Partner stellen jedoch fest, dass es kaum möglich ist, einen Nachfolger zu finden. Denn die Praxis liegt auf dem Land und es mangelt an Ärztenachwuchs. Sie verweigern deshalb die Zahlung einer Abfindung mit Hinweis auf die fehlende Verwertbarkeit des zur Disposition stehenden Praxisanteils. Hier führt der Weg in der Regel von beiden Seiten aus zum Juristen. Je nach Qualität des vorhandenen Gemeinschaftspraxis-Vertrags lässt sich eine Lösung manchmal nur schwer finden.

Im Streitfall, ist es zunächst wichtig, die saubere Abgrenzung verschiedener Begrifflichkeiten zu verinnerlichen. "Praxiswert" ist nämlich nicht gleich "Praxiswert". Zum einen existiert der Begriff des "Ertragswertes". Dies meint den abgezinsten Wert der künftigen Praxiserträge und wird heute üblicherweise mit der modifizierten Ertragswertmethode ermittelt. Eine Praxis, die mit betriebswirtschaftlichem Gewinn arbeitet, verfügt stets über einen Ertragswert – auch bei erschwerter Veräußerbarkeit. Es handelt sich bei dem Ertragswert einer Praxis also um eine Art "inneren Praxiswert".

Im Fall eines Inhaberwechsels wird zusätzlich der sogenannte "Verkehrswert" der Praxis relevant. Der Verkehrswert ist nach Definition einer Arbeitsgruppe der IHK für München und Oberbayern derjenige Wert, der "im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Bewertungsgegenstandes [hier einer Praxis] bei einer Veräußerung zu erzielen wäre". Den Verkehrswert kann man daher als den "äußeren Praxiswert" bezeichnen. Knackpunkt ist, dass der ausscheidende Arzt eher den Ertragswert zum Maßstab nimmt und die verbleibenden Ärzte logischerweise – gerade im ländlichen Raum – den Verkehrswert. Im nächsten Schritt sollten Ärzte also eine betriebswirtschaftliche Kompromisslinie zwischen beiden Werten errechnen.

Oliver Frielingsdorf ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für die Bewertung von Arzt- und Zahnarztpraxen und Partner der Sachverständigensozietät Frielingsdorf und Partner.

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