Medizintechnikbranche: Lockruf aus dem Reich der Mitte

Der Gesundheitssektor in der Volksrepublik China läuft als hochtouriger Wachstumsmotor. Davon können auch kleine und mittelständische Medizintechnikfirmen profitieren. Der Einstieg in den Markt des Roten Drachen ist allerdings kein Kinderspiel.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:
Blutdruckmessung in einem Park in Peking: Gesundheitsarbeiter sensibilisieren Chinesen für Risikofaktoren.

Blutdruckmessung in einem Park in Peking: Gesundheitsarbeiter sensibilisieren Chinesen für Risikofaktoren.

© dpa

GIESSEN. 5000 neue Zentralkliniken, 2000 neu zu bauende Kreiskrankenhäuser und 2400 zu errichtende Gemeinschafts-Gesundheitsservice-Center bis 2012 sowie Investitionen von rund 100 Milliarden Euro in den Gesundheitssektor - so sieht es der am 6. April 2009 veröffentlichte Masterplan zur Reform des chinesischen Gesundheitswesens seitens des Staatsrates vor.

Dass die Planvorgaben bis zum nächsten Jahr eingehalten werden, daran zweifeln Kenner des Reichs der Mitte nicht. China - das El Dorado für die deutsche Medizintechnikbranche?

Wer Chancen sieht und Risiken nicht aus dem Blick verliert, der kann auch als kleiner oder mittelständischer Medizintechnikhersteller an der rasanten Entwicklung auf dem chinesischen Gesundheitsmarkt partizipieren und von ihr profitieren.

Das war jüngst der Grundkonsens der Veranstaltung "Medizintechnik in China - Chancen und Risiken" an der Industrie- und Handelskammer (IHK) Gießen-Friedberg in Gießen.

Einsteiger sollten sich auf Metropolen konzentrieren

Die Entwicklungen in der Volksrepublik sprechen eher für ein Engagement auf dem chinesischen Markt. Zum einen steigt die Lebenserwartung und damit der Pflegebedarf. Zum anderen begünstigen eine ungesunde Lebenshaltung wie die Zunahme von Fast Food, steigende Raucherzahlen und die vielerorts vorherrschende Luftverschmutzung zukünftig die Nachfrage nach medizinischer Versorgung.

China als Zielland punktuell nach Regionen zu betrachten, dazu riet Sabine Dietlmeier, Geschäftsführerin Greater China von DE International, einer Beratungseinrichtung der Deutschen Außenhandelskammern. Zwar sehe die Gesundheitsreform vor, dass bis 2020 eine flächendeckende medizinische Grundversorgung sichergestellt sein soll.

Bis 2020 staatliche Grund-Krankenversicherung

Außerdem gebe es mit dem 2008 implementierten Programm "Healthy China" die Bestrebung, ebenfalls bis 2020 eine staatliche Grund-Krankenversicherung für die gesamte Bevölkerung zu gewährleisten - derzeit genießen bereits 90 Prozent aller Chinesen diesen Krankenversicherungsschutz, skizzierte Dietlmeier die Rahmenbedingungen.

De facto differiere aber der Standard der medizinischen Versorgung zwischen Land und Großstadt erheblich. Daher, so Dietlmeier, sei es für Medizintechnikanbieter aus Deutschland ratsam, sich zunächst auf die großen Ballungsräume mit hoher wirtschaftlicher Kaufkraft zu konzentrieren, wenn es um den Einstieg in den chinesischen Markt und damit um den Vertrieb eigener Produkte vor Ort gehe.

Exemplarisch nannte sie neben den permanent wachsenden Metropolen Shanghai, Peking, Chengdu, Wuhan oder Qingdao auch die regierungsunmittelbare Stadt Chongqing - eine Agglomeration von inzwischen fast 30 Millionen Einwohnern. Außer dem dort bereits erreichten Wohlstand seien auch die infrastrukturellen Voraussetzungen vor Ort besser als auf dem flachen Land in den entlegenen Regionen.

Lokaler Politfunktionär entscheidet in "seinem" Krankenhaus

"In den Metropolen haben Sie es oft mit privaten Kliniken zu tun, die Gewinne erwirtschaften und diese in modernste Medizintechnik investieren können", verdeutlichte Dietlmeier. Außerdem könnten die Ärzte an diesen Privatkliniken selbst festlegen, welcher Gerätebedarf bestehe.

Das sei vor allem bei Kreiskrankenhäusern und in den öffentlichen Wohnviertelkliniken nicht immer der Fall. Dort entscheide nicht selten ein zuständiger lokaler Politfunktionär über die Beschaffungspolitik "seines" Krankenhauses - und die könne ziemlich von dem tatsächlichen Bedarf abweichen.

Außerdem fehlten diesen Kliniken meist die finanziellen Mittel für größere Anschaffungen. Auch daher sei es unter Vertriebsgesichtspunkten ratsam, sich auf die Metropolen zu konzentrieren.

Ausbildungsniveau der Ärzte differiert gewaltig

Das Fokussieren der prosperierenden Großstädte biete noch einen weiteren Vorteil, so Dietlmeier. Hier sei das Ausbildungsniveau der Ärzte meist höher als auf dem Lande. Generell verfügten nur etwa 42 Prozent der praktizierenden Mediziner über einen Master- und 25 Prozent über einen Bachelorabschluss.

Der Rest habe keine fundierte medizinische Ausbildung genossen. In ländlichen Bereichen hätten oftmals sogar nur ein Fünftel der Ärzte einen Universitätsabschluss. Das erschwere den Vertrieb modernster Medizintechnik, deren Lösungen selbst für ausgebildete Ärzte mitunter schon erklärungsbedürftig seien.

Bund und Länder greifen Firmen unter die Arme

Ohne Kooperationspartner vor Ort laufe fast gar nichts im China-Geschäft - betreffe es den Vertrieb deutscher Medizintechniklösungen oder den Aufbau einer eigenen Fertigung. Das stellte Jürgen Schneider, bei der Hessen Agentur Leiter Messen und Delegationsreisen sowie zuständig für internationale Angelegenheiten, fest.

Im Zuge der Außenwirtschaftsförderung unterstütze das Land Hessen daher zum Beispiel deutsche Medizintechnikanbieter bei der Kontaktsuche. Dies kann einen finanziellen Zuschuss zu Messebeteiligungen, aber auch das gezielte Vermitteln geeigneter Interessenten auf Messen sein, so Schneider. Je nach Branche verfügten Bund und Länder über entsprechende Förderprogramme.

Konkret bietet die Hessen Agentur Medizintechnikfirmen auf der Fachmesse China Medical Equipment Fair in Shenzhen im April 2012 neben der Kontaktvermittlung einen finanziellen Zuschuss sowie die Option, sich auf dem gemeinsamen Stand Hessens zu präsentieren, an.

Chinas Import ausgewählter Medizintechnik-Produkte (in Millionen US-Dollar)

Produktgruppe 2009 Januar bis
September 2010
davon aus Deutschland (Januar - Sept. 2010)
Elektrodiagnoseapparate und -geräte 1004,6 935,6 138,8
Röntgenapparate etc. 1659,8 1475,4 394,4
Sterilisierapparate 42,2 38,7 29,9
Rollstühle 1,4 2,1 0,9
Zahnmedizinische Instrumente 70,4 49,2 8,0
Spritzen, Nadeln, Katheter, Kanülen etc. 512,7 461,5 35,3
Ophthalmologische Instrumente 117,3 110,8 23,6
Andere Instrumente, Apparate und Geräte 745,2 694,3 154,5
Therapiegeräte, Atmungsgeräte etc. 199,8 196,2 47,9
Medizinmöbel etc. 68,0 59,8 25,3
Orthopädietechnik, Prothesen etc. 859,3 833,1 76,7
Summe 5280,7 4856,8 912,4
Quelle: German Industry & Commerce Greater China - Tabelle: Ärzte Zeitung
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Kosten und Nutzen

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