Ärzte aus Deutschland

Für Österreich ein solides Rückgrat

Auch Österreich erwartet mittelfristig einen veritablen Ärztemangel. Daher sind nicht nur die Kliniken im Nachbarland auf der Suche nach Ärzten, die aus dem Ausland zuziehen. Interessant: Seit 2006 kamen rund 60 Prozent dieser Ärzte aus Deutschland.

Matthias WallenfelsVon Matthias Wallenfels Veröffentlicht:

WIEN. Die ärztliche Approbation in der Tasche, und dann erst einmal im Ausland Berufserfahrungen als Arzt sammeln, oder als erfahrener Klinikarzt Neuland erkunden - beides sind sicherlich Motivationen, die einen Blick auf den österreichischen Arbeitsmarkt für Ärzte lohnenswert erscheinen lassen.

Fakt ist, dass die Alpenrepublik europaweit zwar eine der höchsten Arztdichten aufweist, doch mittelfristig zeichnet sich ein Ärztemangel ab. Österreich wird dann zunehmend auf Ärzte aus dem Ausland angewiesen sein.

Wie aus den Statistiken der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervorgeht, waren im Jahr 2014 insgesamt 35.844 Mediziner in der Alpenrepublik ärztlich tätig, darunter 1640 im Ausland ausgebildete - 970 von ihnen wiederum kamen aus Deutschland.

Im Jahr 2014 kamen 263 Ärzte aus dem Ausland neu nach Österreich, 141 davon aus Deutschland. Wie ein Blick auf die OECD-Statistik zeigt, stellen in Deutschland ausgebildete Ärzte unter den zugezogenen Medizinern zwischen den Jahren 2006 und 2014 im Schnitt etwas mehr als 60 Prozent.

Österreichs Gesundheits- und Wissenschaftsminister sind sich der Demografie-Herausforderung bewusst. In der 2012 vom Österreichischen Bundesinstitut für Gesundheitswesen (ÖBIG) im Auftrag des österreichischen Gesundheits- und Wissenschaftsministeriums in Kooperation mit der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) erstellten Bericht "Ärztinnen und Ärzte: Bedarf und Ausbildungsstellen 2010 bis 2030" gehen die Berechnungen - je nach Szenario - von im schlimmsten Fall einer Bedarfsunterdeckung von mehr als 7000 Haus- und Fachärzten aus, die im Ausland generiert werden müssten.

Verkürzte Arbeitszeit für Spitalärzte

"Wenn wir nicht rasch Gegenmaßnahmen ergreifen, wird es nicht mehr genug Nachfolger geben für jene Ärztinnen und Ärzte, die in den kommenden Jahren in Pension gehen, bzw. für jene, die jetzt schon ins Ausland abwandern.

Unklar ist nur, ab wann der Bedarf nicht mehr gedeckt werden kann. Bestenfalls wäre der Ärztemangel erst in rund zehn Jahren österreichweit spürbar", verdeutlichte ÖÄK-Präsident Dr. Artur Wechselberger im Juli 2012 auf einer Pressekonferenz bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Neuere Daten liegen noch nicht vor, da die Prognosen laut ÖBIG im Fünfjahreszeitraum aktualisiert werden.

Vor einer großen Herausforderung sehen sich unter anderem die Spitäler. Zunehmende Arbeitsverdichtung und zu wenig Personal seien für Österreichs Ärzteschaft noch immer ein Problem.

Junge Ärztinnen und Ärzte könnten sich kaum noch vorstellen, ihre gesamte berufliche Laufbahn im Krankenhaus zu verbringen, hieß es Ende April 2016 bei der Vorstellung einer Studie, die das Institut für empirische Sozialforschung im Auftrag der Bundeskurie Angestellte Ärzte der ÖÄK durchgeführt hatte.

Die Verkürzung der Arbeitszeit mache sich für Spitalärzte deutlich bemerkbar, manche Probleme würden in andere Bereiche verlagert, hieß es in der Studie weiter.

So sei die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 59 Stunden im Jahr 2006 auf nunmehr 48 Stunden gesunken. Auch die höchste Stundenanzahl in einer Arbeitswoche habe sich seit Umsetzung des novellierten Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes (KA-AZG) deutlich verringert - von 72 auf jetzt 62 Stunden.

"Im Schnitt liegt die Wunscharbeitszeit bei 41 Stunden. Speziell jüngere Kolleginnen und Kollegen wünschen sich eine nochmals verkürzte Arbeitszeit, um die WorkLife-Balance weiter verbessern zu können", verdeutlichte ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann Harald Mayer.

Gleichzeitig werde die Beschränkung der maximal zulässigen Dienstzeit auf 25 Stunden von 83 Prozent der Befragten ausdrücklich begrüßt, so Mayer weiter. Die Opt-Out-Regelung, die es erlaube, mehr als 48 Stunden pro Woche zu arbeiten, werde nur von 33 Prozent der Befragten in Anspruch genommen.

Zufrieden mit dem Einkommen

Positiv sei, dass die Verkürzung der Arbeitszeit und die damit verbundenen Gehaltsverhandlungen nicht zu Frustrationen geführt hätten. "60 Prozent erklären, dass sie keinen Einkommensverlust in Kauf nehmen mussten, und anders als bei der letzten Umfrage vor drei Jahren sagen nun 57 Prozent, dass sie mit ihrem Einkommen zufrieden bis sehr zufrieden sind. 2013 lag dieser Wert noch bei 44 Prozent", führte Mayer weiter aus.

Hier gebe es zwar noch Luft nach oben, man sei aber eindeutig auf dem richtigen Weg, so der Kurienobmann. Österreich hat noch an einer weiteren Stellschraube gedreht, um die Abwanderung von Studenten der Humanmedizin nach Abschluss des Studiums zu verhindern.

Laut ÖÄK hat eine im November 2015 durchgeführte österreichweite Evaluierung der fachärztlichen Ausbildung ergeben, dass nur 41 Prozent der befragten Ärzte in Ausbildung angaben, dass es an ihrer Abteilung ein Ausbildungskonzept gibt. Wenn es eines gebe, werde es im Durchschnitt mit der Schulnote 2 - "gut" - bewertet, die Umsetzung des Konzepts nur mit 2,4. Fast ein Drittel habe angegeben, dass ihnen nicht klar sei, wer ihr Ausbildungsverantwortlicher ist.

Krankenhäuser in der Pflicht

An der Evaluierung hätten 32 Prozent der Ärzte in fachärztlicher Ausbildung teilgenommen, 95 Prozent von ihnen absolvierten ihre Ausbildung nach der Ärzteausbildungsordnung 2006. Erst die Ärzteausbildungsordnung neu, die seit Sommer 2015 in Kraft sei, sehe aber ein Ausbildungskonzept verpflichtend vor.

"Die Spitalsträger müssen eine qualitätsgesicherte Ausbildung als ihre Verpflichtung wahrnehmen, Zeit- und Personalressourcen für die Ausbildung bereitstellen und gute Rahmenbedingungen für ihre Auszubildenden schaffen. Nur so werden sie sicherstellen können, dass wieder mehr ärztlicher Nachwuchs im Land bleibt", forderte Karlheinz Kornhäusl, Stellvertretender Obmann der Bundeskurie Angestellte Ärzte der ÖÄK und Obmann der Bundessektion Turnusärzte.

Für Ärzte, die aus Deutschland oder einem anderen EWR-Staat kommen, fließend deutsch sprechen und ihr Medizinstudium in Deutschland abgeschlossen und anerkannt bekommen haben, müssen nur einen geringen bürokratischen Aufwand in Kauf nehmen, um in Österreich als Mediziner tätig werden zu können - egal, ob in Niederlassung oder in einem Anstellungsverhältnis. Informationen dazu erteilt die ÖÄK online unter www.aerztekammer.at.

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