Linde

Neue Hürden vor der Fusion mit Praxair

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MÜNCHEN. Der Gasehersteller Linde steht bei der Milliarden-Fusion mit dem US-Branchenriesen Praxair vor unerwarteten kartellrechtlichen Hürden. Linde fürchtet nun, dass die Wettbewerbshüter höhere Anforderungen stellen könnten, als bisher erwartet, wie die Linde AG am Wochenende mitteilte. Die Aktie des Gaseherstellers bracht daraufhin am Montagmorgen um fast zehn Prozent ein.

Mit dem Zusammenschluss, der bis zum 24. Oktober perfekt sein muss, würde der weltgrößte Gasehersteller entstehen – noch vor dem französischen Konkurrenten Air Liquide. Noch stehen aber Freigaben wichtiger Kartellbehörden aus, etwa in den USA und in Europa. Die EU-Kommission hatte erst vor Kurzem ihre Prüffrist abermals bis zum 24. August verlängert.

Linde und Praxair hatten bereits umfangreiche Verkäufe von Geschäftsteilen in die Wege geleitet, um Bedenken der Wettbewerbshüter auszuräumen. Für solche Verkäufe hatten die Fusionspartner eine Obergrenze von 3,7 Milliarden Euro Umsatzvolumen vereinbart.

Mittlerweile gehen die beiden Branchengrößen allerdings davon aus, dass die US-Wettbewerbsbehörde FTC (Federal Trade Commission) "zusätzliche Veräußerungszusagen" erwartet, mit denen die selbstgesetzte 3,7-Milliarden-Obergrenze überschritten werden könnte.

"Das ist nicht das Ende", heißt es zu der neuen Entwicklung in Branchenkreisen. Allerdings trete der Fusionsprozess durchaus in eine kritische Phase, denn für die Vollendung des Zusammenschlusses haben beide Partner nur noch weniger als drei Monate Zeit. Bis 24. Oktober muss die Fusion unter Dach und Fach sein, dann läuft die vom Wertpapiergesetz vorgegebene Frist aus.

Linde und Praxair analysieren nun die Erwartungen der Kartellwächter, hieß es, "um deren Reichweite einzuschätzen und zu bewerten, inwieweit sie sich schnell genug umsetzen ließen, um eine rechtzeitige Freigabe des Zusammenschlusses zu erreichen", heißt es in der Mitteilung weiter. "Die Gespräche mit der FTC über die erforderlichen Veräußerungszusagen werden mit dem Ziel fortgesetzt, ein für die Beteiligten akzeptables Ergebnis zu erreichen."

Größter Industriegasehersteller der Welt

Der deutsche Traditionskonzern und Praxair wollen sich zum größten Industriegasehersteller der Welt zusammenschließen. Mit 80.000 Mitarbeitern und 28 Milliarden Euro Jahresumsatz würden sie ein Viertel des Weltmarkts beherrschen. Praxair ist Marktführer in den USA, Linde ist stark in Europa und Asien, im US-Medizingeschäft und im Anlagenbau.

Das Unternehmen soll von Praxair-Chef Steve Angel aus den USA heraus geführt werden. Die Aktionäre haben bereits zugestimmt. Deswegen kann die Fusion nur noch an zu hohen Auflagen oder dem Veto der Kartellbehörden scheitern.

Neben den Amerikanern sind auch die Europäer skeptisch: Es gebe Bedenken, dass der Wettbewerb auf dem Markt für mehrere wichtige Gase, darunter Sauerstoff und Helium, beeinträchtigt werden könne, hatte die EU-Kommission zum Start der - mittlerweile mehrmals verlängerten - vertieften Prüfung mitgeteilt. "Gase wie Sauerstoff und Helium kommen bei der Herstellung einer Vielzahl von Produkten, die wir tagtäglich verwenden, zum Einsatz. Die Hersteller beziehen diese Gase von einer geringen Zahl von Anbietern." Die beiden Unternehmen liefern etwa medizinischen Sauerstoff, mit dem Krankenhäuser und Pflegeheime versorgt werden.

Fusionsabbruch wäre kein Fiasko

Ein Scheitern der Fusion von Linde und Praxair zum weltweit größten Industriegasehersteller wäre für Aktionärsschützer keine Katastrophe. "Linde ist gesund und profitabel und kann auch ohne Praxair leben. Das wäre also kein Fiasko", sagte Daniela Bergdolt, Vizepräsidentin der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), am Montag. Allerdings würde es bei dem Münchner Dax-Konzern zu einer Führungskrise kommen.

Aufsichtsratschef Wolfgang Reitzle ist die treibende Kraft hinter der Fusion, die er gegen den Widerstand von Betriebsräten und Gewerkschaften in Deutschland vorantreibt. "Bei Reitzle fände ich es schwierig, wenn er bei einem Scheitern weitermachen würde", sagte Bergdolt der Deutschen Presseagentur.

Den 68-jährigen Manager Aldo Belloni hatte Reitzle nur deshalb aus der Rente zurückgeholt und zum Vorstandschef gemacht, um die Fusion in trockene Tücher zu bringen. (dpa)

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