Ludwigshafen

Innovative Strategie für optimierte Patientenversorgung

In Ludwigshafen kooperieren 27 Praxen in einem Netz. Konkurrenzangst gibt es nicht. Im Gegenteil: Eine synergetische Organisation nützt Ärzten wie Patienten.

Von Ingeborg Bördlein Veröffentlicht:
Die Mitglieder des Ärztenetzes LuNoMed kooperieren im Ludwigshafener Norden.

Die Mitglieder des Ärztenetzes LuNoMed kooperieren im Ludwigshafener Norden.

© LuNoMed

LUDWIGSHAFEN. Die Praxis des Ärzteehepaares Dr. Gabriele und Dr. Dietrich Bieringer liegt im Norden der Industriestadt Ludwigshafen. Dort ist auch das Chemieunternehmen BASF angesiedelt. "Wir befinden uns auf der nördlichen Halbinsel der Stadt" sagt Dr. Gabriele Bieringer scherzhaft, "quasi ein geschlossener Bezirk innerhalb Ludwigshafens".

Vor 30 Jahren haben sie und ihr Mann die hausärztlich-internistische Praxis gegründet. Inzwischen ist daraus eine Berufsausübungsgemeinschaft geworden.

Das eingespielte Praxisteam bietet Patienten eine wohnortnahe ganzheitliche Versorgung: Neben der Schulmedizin haben sie naturheilkundliche Verfahren, Traditionelle Chinesische Medizin (TCM), Osteopathie und biologische Schmerztherapie in ihrem Repertoire. So könnte es eigentlich weitergehen, bis die Praxis in einigen Jahren in jüngere Hände übergeht.

Doch mehrere Entwicklungen haben die Ärztin dazu bewogen, zusammen mit ihren Kollegen im Norden Ludwigshafens neue Wege zu gehen.

Zum einen nimmt die Zahl älterer, behandlungsbedürftiger Patienten zu. Sie sollen ein wohnortnahes Angebot interdisziplinärer ärztlicher Versorgung vorfinden.

Zum anderen sind Ärzte als Einzelkämpfer nach Einschätzung Bieringers organisatorisch und wirtschaftlich immer mehr auf verlorenem Posten.Und schließlich steht die Frage im Raum, ob sich genügend Nachfolger finden, um die ärztliche Versorgung zu sichern: Selbst in einer Stadt wie Ludwigshafen seien bereits Kassenarztsitze unbesetzt.

Das macht Bieringer Sorgen. Doch Lamentieren ist nicht ihre Sache. Sie ist eine Frau der Tat.

Dezentrale Versorgung im Stadtteil

Also hat sie sich vor zwei Jahren mit Kollegen aus dem Norden zusammengesetzt und eine Kooperationsgemeinschaft gegründet.

Das Kind bekam einen einprägsamen Namen, der gleichzeitig Programm ist: LuNoMed e.V. Anders als andere Ärztenetze und Ärztezentren setzt LuNoMed (frei übersetzt: Medizin in Ludwigshafens Norden) auf dezentrale Versorgung in den Stadtteilen des Nordens der Industriestadt.

Jeder Patient erhält in seiner gewohnten Praxis eine qualitätsgesicherte, zeit- und ortsnahe Diagnostik und Therapie und kann zudem auf ein interdisziplinäres Ärzte- und Therapeutennetz ohne lange Wartezeiten zurückgreifen, denn die Termine werden untereinander koordiniert.

Auch andere medizinische Berufsgruppen wie Physiotherapeuten und Apotheker sind in das Netzwerk eingebunden. Mittlerweile sind 32 Ärzte verschiedener Fachrichtungen in 27 Praxen an LuNoMed angeschlossen. Bieringer: "Das sind nahezu alle Ärzte, die in Ludwigshafens Norden niedergelassen sind."

20 von ihnen sind Allgemeinmediziner. Zwei internistische Fachärzte teilen sich den Bereich der Kardiologie und der Gastroenterologie. Ferner sind zwei Gynäkologen, ein Augen- und ein HNO-Arzt dabei. Bedarf besteht noch in der neurologischen und dermatologischen Versorgung.

Die Praxen kooperieren nicht nur bei der Terminvergabe, sondern auch bei der Organisation fachübergreifender Therapien. Befunde werden im Ärztenetz schnell ausgetauscht. Diese Zusammenarbeit verkürzt die Wartezeiten. Die Patienten sparen Zeit und Transportkosten.

Die Kooperation funktioniert tatsächlich: "Wir Ärzte sind zwar Individualisten und Einzelkämpfer und arbeiten gerne bis zur Selbstausbeutung", so Bieringer. Doch man habe erkannt, dass es gemeinsam besser gehe und Konkurrenzängste völlig unbegründet seien.

Bleibe mal ein Patient in einer Praxis weg, komme dafür ein anderer. Das gleiche sich in der Regel aus. Die beteiligten Ärzte haben auch wirtschaftlich etwas von der Kooperation.

Einmal im Monat treffen sie sich zu Qualitätszirkeln. Dort werden problematische Patientenfälle besprochen. Zusätzlich werden viermal jährlich Veranstaltungen zum Qualitätsmanagement angeboten.

Dazu werden Experten eingeladen, die beispielsweise über die neue Gebührenordnung informieren oder über die neuen Hygienevorschriften. Das erspare es jedem einzelnen Kollegen, die 200 Seiten Hygienevorschriften selbst durchzuackern.

Fortbildung auch für Patienten

Ein Renner sind die Patientenakademien. Namhafte Experten werden zu wichtigen Themen wie Impfen, Schmerz, Altersmedizin oder KHK eingeladen. Die Veranstaltungen in öffentlichen Gebäuden sind mit 50 bis 100 Zuhörern immer sehr gut besucht.

Die Teilnahme ist kostenlos, der Präventionsgedanke steht im Vordergrund. Die Organisation dieser beliebten Infoveranstaltungen ist aufwendig und Dr. Bieringer und ihre Kollegen von LuNoMed investieren dafür Zeit und auch Geld.

Doch dahinter steckt die Idee der allgemeinen Gesundheitsaufklärung. Deshalb wurde LuNoMed als Verein auch die Gemeinnützigkeit zuerkannt.

Mehr Freiheit für die Kollegen und einen zusätzlichen Patientenservice bietet die Abenddienstbereitschaft, die von LuNoMed organisiert wird, um die Zeit zwischen Praxisschließungen und Beginn des ärztlichen Bereitschaftsdienstes zu überbrücken.

Der Dienstplan wird von einem Kollegen für zwei Monate im Voraus erstellt, bei Bedarf kann aber auch kurzfristig jemand aus dem Pool der angeschlossenen Ärzte einspringen. Auch bei Krankheit und Urlaub fangen die Kollegen Vakanzen auf.

Für die tatkräftige Ärztin, die für LuNoMed viel Zeit aufwendet, ist die Kooperation aber noch mehr: Sie ist ein überlebenswichtiges Zukunftsmodell für niedergelassene Ärzte - und mit diesem Modell hat sich Bieringer auch um den Preis "Die innovative Arztpraxis 2012" beworben.

Der Wettbewerb wird jährlich von der Verlagsgruppe Springer Medizin, zu der die "Ärzte Zeitung" gehört, und dem Biopharmzieunternehmen UCB ausgerichtet. So auch dieses Jahr.

Das Einzelkämpfertum habe ausgedient. Die Zukunft gehöre den Berufsausübungsgemeinschaften. Praxisabgaben und -übernahmen könnten innerhalb der Gemeinschaft leichter organisiert werden: "Wir freuen uns über jede junge Kollegin oder jeden Kollegen, die Interesse haben, sich in unser Netzwerk zu integrieren."

So könnten Jungärzte, die eine Praxis einmal übernehmen möchte schon ein bis zwei Jahre vorher mitarbeiten, um für ihren Beruf vorbereitet zu werden.

Innovationspreis 2013

Haben Sie eine innovative Idee, die Sie in Ihrer Praxis umsetzen wollen oder umgesetzt haben? Dann bewerben Sie sich bis zum 30. November im Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis", den das Biopharmaunternehmen UCB und die Verlagsgruppe Springer Medizin in diesem Jahr zum dritten Mal ausschreiben. Sie können mit Ihrer Idee einen von mehreren wertvollen Preisen gewinnen - als Hauptpreis winkt ein eintägiges Praxiscoaching durch die Unternehmensberatung HCC Better Care, Köln.

In unserem Online-Formular beschreiben Sie Ihre Idee und die Umsetzung. Dabei geht es auch darum, dass Sie zeigen, was Ihre Idee innovativ macht – zum Beispiel für die Versorgung von Patienten oder auch für die Wirtschaftlichkeit Ihrer Praxis. Sie können im Internet auch Dokumente hochladen, zum Beispiel Bilder oder Word-Dateien.

Ihre Daten werden nur zur Ermittlung der Gewinner verwendet und nicht an Dritte weitergeleitet.

Bewerbung bis 30. November 2013 online unter www.aerztezeitung.de/extras/innovationspreis

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