medicum Hamburg

One-Stop-Shopping für Diabetiker

Eine Vollversorgung für Diabetiker bietet das Themen-MVZ "medicum" in Hamburg an. Im Quartal kommen rund 10.000 Patienten in die Einrichtung.

Dirk SchnackVon Dirk Schnack Veröffentlicht:
Terminkopplung erwünscht: Bis zu fünf Facharzttermine an einem halben Tag werden im medicum organisiert.

Terminkopplung erwünscht: Bis zu fünf Facharzttermine an einem halben Tag werden im medicum organisiert.

© Dirk Schnack

HAMBURG. Ein MVZ als Innovation? Im Falle des medicum Hamburg ist der Begriff korrekt.

Gründer und Inhaber Dr. Matthias Riedl hat vor fünf Jahren, als die MVZ-Welt die Ärzte noch spaltete und das Gesundheitswesen Pro und Contra abwog, gehandelt: Er wandelte seine auf Betreuung von Diabetikern spezialisierte Gemeinschaftspraxis in ein Themen-MVZ um.

Inzwischen kümmern sich mit Riedl 23 angestellte Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen und Psychotherapeuten um die Diabetes-Patienten im medicum Hamburg. Die Innovation spüren in erster Linie die Patienten, weil hier Versorgungsnachteile ausgeglichen werden:

Im medicum bekommen sie bis zu fünf Arzttermine pro Vormittag und sparen sich die oft aufwendigen Wege und Wartezeiten. Genau das war der Ausgangspunkt Riedls, bevor er das medicum gründete.

"Die bestehende Fragmentierung des Gesundheitswesens in Sektoren und Fachbereiche verursacht bisher nur schwer überwindbare Hindernisse in der Zusammenarbeit der Anbieter. Folgen sind teure Über-, Unter- und Fehlversorgungen", sagt Riedl.

Besonders älteren Menschen wird nach seinen Erfahrungen dadurch der Zugang zu medizinischer Hilfe erschwert, gerade chronisch Kranken wie Diabetikern.

Aber auch beruflich stark eingespannte Menschen laufen Gefahr, durch die Fragmentierung Arzttermine nicht einhalten zu können und so wichtige Untersuchungen und Behandlungen zu versäumen. Im medicum ist dieses Risiko gering, weil die Termine gekoppelt an einem halben Tag erfolgen.

Interdisziplinäre Ausrichtung

Im medicum standen das Bedürfnis des Patienten und sein Krankheitsbild an erster Stelle. Deshalb finden Patienten dort neben Diabetologen unter anderen Hausärzten, Augenärzte, Kardiologen, Geriater, Parodontologen, Ernährungsmediziner und eine Fußambulanz mit Wundmanagerin.

Die interdisziplinäre Ausrichtung wirkt sich unmittelbar aus: Fast jeder Patient erhält hier eine augenärztliche Untersuchung, vor ihrem medicum-Besuch gelang dies nur 70 Prozent der Patienten.

Koordiniert werden die Behandlungen durch eine einheitliche Krankenakte und regelmäßige Fallkonferenzen der beteiligten Ärzte.

Abgerundet wird die Betreuung durch diabetologische Heim- und Hausbesuche durch geschultes Personal. Rund um die Uhr können die Patienten über ein Call-Center Kontakt aufnehmen.

Behandelt wird zwischen sieben und 19 Uhr, außerdem gibt es eine Spätsprechstunde bis 21 Uhr.

Kein Problem mit dem Nachwuchs

Dass Riedl bei der Umsetzung des Konzeptes richtig lag, bestätigen ihm die Patientenzahlen: Rund 10.000 Patienten lassen sich pro Quartal an den beiden Hamburger medicum-Standorten behandeln.

Und auch der Andrang der Ärzte gibt ihm recht: "Bei uns melden sich Topbewerber, weil das Konzept sie überzeugt", sagt Riedl. Der überall diskutierte Ärztemangel ist bislang am medicum vorbei gegangen. 19 der 23 angestellten Ärzte und Psychotherapeuten sind weiblich - alle arbeiten in Teilzeit.

Und nicht nur die Ärzte selbst wollen ihre Erfahrungen im medicum sammeln: Delegationen aus dem Ausland, deren Herkunft von Wien bis China reicht, haben sich schon vor Ort über das Konzept informiert und teilweise kopiert.

Auch aus diesem Grund hat sich Riedl im vergangenen Jahr beim Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis" beteiligt. Er kam dabei unter die Top 10 der Bewerber. Der Wettbewerb wird auch 2013 von den Initiatoren, dem Biopharmaunternehmen UCB und der Verlagsgruppe Springer Medizin, ausgeschrieben.

Trotz des Erfolges: es gibt weiterhin Hürden, die Riedl mit dem medicum noch nicht genommen hat. Besonders die angestrebten Verträge mit den Krankenkassen ließen sich noch nicht im erhofften Umfang realisieren.

"Die Krankenkassen freuen sich über unser Konzept, unsere Qualität und unser Team. Aber Verträge müssen sie europaweit ausschreiben", nennt Riedl ein großes Hindernis. Für die erbrachte Qualität erhält er deshalb nach seiner Ansicht keinen adäquaten Preis.

Vergütung nicht verlässlich

Ein anderes Problem ist die fehlende Verlässlichkeit in der Honorarpolitik.

Zwar sieht sich Riedl von der KV Hamburg nach besten Kräften unterstützt, ständige Änderungen zu Lasten der MVZ sind für ihn aber schwer zu verkraften: "Für private Betreiber, die keinen Klinikträger im Rücken haben, ist das schwer durchzuhalten."

Für Riedl ist dies auch ein Grund, weshalb immer mehr Klinikträger in die MVZ-Welt vordringen: "Die großen Konzerne werden die Betreiber sein, weil sie über eine Mischkalkulation Rückschläge auffangen können. Wir können das nicht", betont Riedl.

Von den 14.000 Arztkontakten im Quartal bekommt das medicum nur rund 50 Prozent bezahlt.

Als paradox empfindet es Riedl, dass diese Arztkontakte zu 100 Prozent vergütet werden müssten, wenn die Patienten die einzelnen Fachrichtungen in unterschiedlichen Praxen aufsuchen würden - und das medicum keine Honorarverluste erleiden müsste, wenn es jeden Patienten nur noch von einer Fachrichtung behandeln ließe.

Paradoxe Honorierung im MVZ

Besser sieht es aus mit privaten Versicherungsunternehmen. Für zwei ist das medicum inzwischen Premiumpartner und schult deren Versicherte. Ziel ist es, Diabetes zu verhindern oder möglichst früh zu erkennen.

Genau das vermisst Riedl noch in der GKV: "Die meisten Kassen haben kein Konzept gegen Übergewicht, obwohl dieses Problem unser Gesundheitssystem in die Knie zwingen könnte und Übergewicht kein Privatproblem der Betroffenen ist. Wir sollten nicht länger an Symptomen und Folgeerkrankungen herumdoktern", fordert Riedl.

Für sich persönlich hat der Diabetologe akzeptiert, dass der Schritt von der Gemeinschaftspraxis zum MVZ ein finanzieller Rückschritt war. Wichtig ist ihm, dass dafür Fortschritte für die Patienten erzielt wurden.

Innovationspreis 2013

Haben Sie eine innovative Idee, die Sie in Ihrer Praxis umsetzen wollen oder umgesetzt haben? Dann bewerben Sie sich bis zum 30. November im Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis", den das Biopharmaunternehmen UCB und die Verlagsgruppe Springer Medizin in diesem Jahr zum dritten Mal ausschreiben. Sie können mit Ihrer Idee einen von mehreren wertvollen Preisen gewinnen - als Hauptpreis winkt ein eintägiges Praxiscoaching durch die Unternehmensberatung HCC Better Care, Köln.

In unserem Online-Formular beschreiben Sie Ihre Idee und die Umsetzung. Dabei geht es auch darum, dass Sie zeigen, was Ihre Idee innovativ macht – zum Beispiel für die Versorgung von Patienten oder auch für die Wirtschaftlichkeit Ihrer Praxis. Sie können im Internet auch Dokumente hochladen, zum Beispiel Bilder oder Word-Dateien.

Ihre Daten werden nur zur Ermittlung der Gewinner verwendet und nicht an Dritte weitergeleitet.

Bewerbung bis 30. November 2013 online unter www.aerztezeitung.de/extras/innovationspreis

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