Für mehr Sicherheit

Kinderärztin pikst Familien gegen Impfverdruss

Ob Kinder, Eltern oder Großeltern - Pädiaterin Dr. Stefanie Diehl setzt bei allen zur Schutzimpfung an. Damit will sie die Impfquote erhöhen, vor allem aber auch das Ansteckungsrisiko für ihre Patienten - insbesondere der chronisch kranken - minimieren. Mittlerweile ist ihr Ansatz als Familienärztin zum Selbstläufer geworden.

Von Marco Hübner Veröffentlicht:
Fehlender Impfschutz? Das betrifft oft nicht die Kinder und Jugendlichen, sondern die Erwachsenen - wie das Team in der Praxis von Dr. Stefanie Diehl festgestellt hat.

Fehlender Impfschutz? Das betrifft oft nicht die Kinder und Jugendlichen, sondern die Erwachsenen - wie das Team in der Praxis von Dr. Stefanie Diehl festgestellt hat.

© Tatyana Sokolova / iStock / Thinkstock

WOLFHAGEN / ISTHA. Pädiaterin Dr. Stefanie Diehl hat der Impfmüdigkeit den Kampf angesagt.

Dabei hat die Ärztin nicht nur die Kinder und Jugendlichen in ihrem Versorgungsgebiet im Visier, die als Patienten ihre Praxis besuchen, sondern auch deren Begleiter.

Eltern, Großeltern und andere enge Kontaktpersonen sollen bei ihr den Impfpass zücken, bevor sie sich in das Wartezimmer im nordhessischen Istha, einem etwa außerhalb gelegenen Stadtteil von Wolfhagen, setzen können.

"Niemand soll nach einem Praxisbesuch bei mir in der Klinik landen, weil er sich bei jemandem mit Impflücke angesteckt hat", sagt die Ärztin, die vor etwa zwei Jahren in die Freiberuflichkeit gewechselt ist.

Ihr Engagement für die Sache hat neben der Unzufriedenheit mit der allgemeinen Akzeptanz gegenüber dem Impfen in Deutschland auch persönliche Gründe: "In meiner Zeit als Klinikärztin habe ich Kinder auf Station an Masern sterben sehen", berichtet Diehl.

Oft seien es die Erwachsenen, die ihren Schutz vernachlässigen und so Kinder gefährden. - Dagegen hat die Pädiaterin einen Plan entwickelt.

Startschuss zur Grippesaison

Bei jedem Patienten werde konsequent der Impfstatus von allen Familienmitgliedern durch Ärztin und Praxisteam geprüft. Fehlen wichtige Schutzimpfungen, wird umfassend aufgeklärt und - bei Einverständnis - schließlich geimpft.

Eigens dafür wurden zwei Medizinische Fachangestellte (MFA) zu Impfassistentinnen weitergebildet. Diese können die Patienten, nachdem sie vom Arzt aufgeklärt wurden, selbstständig impfen.

Mit ihrem Konzept von der Arbeit als Familienärztin gegen Impfmüdigkeit zählte sie zu den besten Teilnehmern beim Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis 2014", ausgerichtet von Springer Medizin und UCB. Der Weg dorthin war allerdings steinig.

In die Tat umgesetzt hat Diehl ihre Idee in der Grippesaison im Herbst 2013. Folge: ein Marathon aus Aufklärungsgesprächen in ihrer Praxis - in der sie im Quartal zwischen 1400 und 1600 Patienten betreut.

Dr. Stefanie Diehl kämpft in ihrer Praxis gegen Impfmüdigkeit.

Dr. Stefanie Diehl kämpft in ihrer Praxis gegen Impfmüdigkeit.

© Marco Hübner

"Das war Arbeit am Limit", sagt Diehl. Vor allem habe es oft Momente tiefer Frustration gegeben, wenn etwa Eltern von chronisch kranken Kindern ungeachtet harter Fakten selbst die Spritze verweigerten.

Häufigstes Argument war der Kinderärztin zufolge: "Mir passiert schon nichts." Das koste Nerven und das sogar mehrmals, wenn zum Beispiel das Kind, das an Asthma leidet und sich bei den Eltern angesteckt hat, kurze Zeit später erneut in der Praxis sitzt. Wegen einer Grippe, die aufgrund des Asthmas schwieriger zu therapieren ist als bei den Eltern.

Patienten fragen aktiv nach Impfung

Der Marathon habe sich in der Rückschau gelohnt. "550 Dosen Grippeimpfstoff haben wir im ersten Jahr insgesamt an Eltern und Kinder verabreicht", so Diehl. Das habe sich im vergangenen Jahr noch einmal auf mehr als 600 Dosen gesteigert.

Im zweiten Winter habe die Ärztin einen weiteren Erfolg gespürt. "Durch das Impfen mussten viele Chroniker weitaus seltener in die Praxis, was für etwas Entspannung beim Patientenaufkommen gesorgt hat", betont Diehl.

Inzwischen sei ihre Arbeit als Familien-Impf-Ärztin größtenteils zum Selbstläufer geworden, berichtet Diehl. "Die Grundarbeit haben wir im ersten Jahr geleistet, jetzt fragen die Patienten selbstständig nach Impfungen."

Auch wirtschaftlich zieht die Ärztin eine positive Bilanz. Damit, dass sie auch Erwachsene impft - und so fachfremde Leistungen erbringt, die nicht in allen KVen akzeptiert werden (wir berichteten) - gab es keine Probleme seitens der KV Hessen.

Diehl berechnet alle Impfleistungen, wobei sie allerdings nur für drei Prozent der Erwachsenen auch die Versichertenpauschale (GOP 04000, Anm. d. Red.: die Ziffer gibt es für Pädiater wie für Hausärzte altersgestaffelt, auch für Patienten über 19 Jahre) ansetzen kann. Den Rest habe sie dann faktisch ohne Honorar auf die Impfung vorbereitet.

Diesen Preis war sie bereit zu zahlen: "Ich will die Medizin machen, hinter der ich auch stehen kann", betont Diehl mit Blick auf die Mehrarbeit, die mit dem Projekt angefallen ist.

Mittlerweile ist nahezu ihr gesamter Patientenstamm entsprechend den Empfehlungen der ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) geimpft.

Nur sehr wenige, nicht zu überzeugende Impfverweigerer sind letztlich übrig geblieben. "Aber auch die werden weiter vom Team auf fällige Impfungen angesprochen", sagt die Ärztin.

Hausarzt ist mit im Boot

Mit der jüngsten Neuerung in der Praxisorganisation hat sich die Ärztin mehr Luft verschafft. Seit Kurzem arbeitet Marcel Stiebler in der Praxis in Istha.

Mit dem Allgemeinmediziner vereinfacht sich das Impfprozedere insofern, als dass er alle Altersklassen behandeln und daher die Eltern übernehmen kann, wenn sie einer Immunisierung zustimmen. Und das sind im Patientenstamm der Praxis viele.

Bewerben Sie sich jetzt mit innovativen Ideen für die Praxis

Haben Sie eine innovative Idee, die Sie in Ihrer Praxis umsetzen wollen oder umgesetzt haben? Haben Sie Ihre Praxis gut organisiert, so dass Sie dem Versorgungsdruck durch immer mehr Patienten standhalten, ohne mehr arbeiten zu müssen? Haben Sie pfiffige Ideen, wie Sie Ihr Team motivieren können? Arbeiten Sie effizient mit moderner Medizintechnik, mit Hard- oder Software? - Wenn Sie eine dieser Fragen mit Ja beantworten können oder anderweitig in Ihrer Praxisführung innovatives Potenzial sehen, dann machen Sie mit beim Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis 2015". Dabei sind auch die kleinen Ideen gefragt, die den Praxisalltag vereinfachen oder Patienten helfen.

Der Preis ist eine Initiative des Biopharmaunternehmens UCB und der Verlagsgruppe Springer Medizin, zu der auch die "Ärzte Zeitung" gehört. Er wird 2015 zum fünften Mal ausgeschrieben.

Sie können mit Ihrer Idee ein Befragungstool HCC Analytics von HCC BetterCare (Köln) gewinnen. Darüber hinaus gibt es Buchpreise für innovatives Praxismanagement von Springer Medizin. Die Bewerbung erfolgt online: Unter www.aerztezeitung.de/innovationspreis finden Sie ein Formular, mittels dessen Sie Ihre Idee und deren Umsetzung kurz beschreiben können.

Dabei geht es darum, zu zeigen, worin der innovative Charakter Ihrer Idee besteht: ob sie die Patienten-Versorgung verbessern oder die Wirtschaftlichkeit Ihrer Praxis stärken kann oder ob Sie technisches Neuland betreten. Sie können auch weitere Dokumente zur näheren Beschreibung Ihrer Idee und der Umsetzung hochladen.

Eine unabhängige Jury entscheidet über die Preisträger. Ihre Daten werden nur zur Ermittlung der Gewinner verwendet und nicht an Dritte weitergeleitet. (ger)

Bewerbungsschluss ist der 30. November.

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