Innovation

Arzt vertraut auf Infarktmelder aus dem Labor

Zur wirksamen Vorbeugung von Herzinfarkten könnte mehr getan werden – und das schonend, meint Kardiologe Dr. Klaus Edel. Er nutzt bei seiner Arbeit daher spezielle Blutwerte als wichtiges Prognosemittel.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Bei der ärztlichen Arbeit: Dr. Klaus Edel sichtet die Laborergebnisse seiner Patienten.

Bei der ärztlichen Arbeit: Dr. Klaus Edel sichtet die Laborergebnisse seiner Patienten.

© Christina Bauer

BAYERISCH GMAIN. Weniger Herzinfarkte sind möglich, ist Dr. Klaus Edel sicher. Das gelte für primäre Infarkte genauso wie für Rezidive. Edel ist Ärztlicher Direktor der Reha-Klinik Hochstaufen in Bayerisch Gmain und leitet dort die Abteilungen für Kardiologie und Angiologie.

Seit Jahren beschäftigt ihn, dass, wie der Internist und Kardiologe sagt, Infarktpatienten längst nicht immer die passende Behandlung erhalten. So werde zu wenig berücksichtigt, dass nicht verkalkte Plaques in Blutgefäßen das Hauptproblem seien, sondern noch nicht verkrustete Fettseen, die irgendwann aufreißen könnten.

"Wenn eine Arterie zu 50 Prozent verengt ist, wo wir Kardiologen nach den aktuellen Leitlinien nicht interventionell eingreifen dürfen, besteht das höchste Herzinfarktrisiko." Schon Mitte der 1990er las Edel dazu eine Studie von Falk und Kollegen.

Viel zu wenig, sagt er, seien diese Ergebnisse seitdem berücksichtigt worden. Statt dessen beobachte er eine allzu große Katheter-Begeisterung. "Die Zahl der Herzkathetereingriffe in Deutschland liegt weit über dem Schnitt in der EU. Wenn diese Katheterei so gut wäre, müsste es bei uns die wenigsten Patienten geben, die nach der Behandlung einen Herzinfarkt haben. Dies ist aber nicht der Fall."

Sein Fazit: "Diese ständigen Wiedereinbestellungen für Herzkathetereingriffe bei beschwerdefreien Patienten nach einer Koronarintervention sind völlig sinnlos."

Arzt nutzt hs-CRP-Wert

Er selbst nutzt eine Diagnostik, die besonders auf spezielle Blutwerte abzielt. "Die Fettseen in den Arterien versuche ich derzeit über Labormethoden zu finden, und die Patienten dazu zu bringen, sie durch eine Lebensstiländerung selbst aufzulösen."

Die Möglichkeiten solcher Laborwerte würden in der Praxis zu wenig ausgeschöpft. "Bisher messen Ärzte das LDL-Cholesterin, also das Fett im Blut. Aber der Wert sagt nichts darüber, wie viel Fett in der Arterienwand abgelagert ist. Daher erfasse ich zusätzlich den hs-CRP-Wert. Wenn dieser hoch ist, muss der Mensch Fettseen in seinen Arterien haben." Hs-CRP ist das Kürzel für hochsensitives cardioreaktives Protein, ein Eiweiß, das die Leber bei Entzündungsreaktionen freisetzt.

Seit etwa zehn Jahren erhebt Edel diesen Wert zusätzlich zur übrigen Diagnostik, um das Infarktrisiko genauer einschätzen zu können. Das aber nur bei etwa fünf Prozent der jährlich 2000 von ihm wegen entsprechender Herzerkrankungen Behandelten.

Das seien die, bei denen er davon ausgehe, dass sie eine Lebensstiländerung anstreben. Das ist seiner Meinung nach die beste Intervention und umfasst eine ausgewogene Ernährung nach aktuellen Empfehlungen, unter anderem mit mehr pflanzlichen und weniger tierischen Fetten, zudem mit reichlich Omega-3-Fettsäuren.

Ebenso Bewegung im Bereich des per Spiroergometrie gemessenen Fettverbrennungspulses, um nicht nur die Kondition zu fördern, sondern zugleich überflüssige Kilos zu reduzieren. Außerdem die Reduktion von Risikoverhalten wie Rauchen und Alkoholkonsum.

Sei eine Lebensstiländerung nicht zielführend, müssten zusätzlich Medikamente weiterhelfen, etwa Statine. Aber auch dann lohnten sich die zusätzlichen Indikatoren, um das geeignetste Medikament und die sinnvollste Dosierung festzustellen.

Mit seiner Idee zählte Edel zu den zehn Bestplatzierten beim Wettbewerb "Die innovative Arztpraxis 2015", den die Verlagsgruppe Springer Medizin, zu der auch die "Ärzte Zeitung" gehört, zusammen mit UCB Innere Medizin nun schon zum fünften Mal veranstaltet hat.

Die Schwierigkeit beim hs-CRP-Wert, so bekundet der Arzt, sei vor allem seine umstrittene Spezifität und Sensitivität. Studien brachten dazu widersprüchliche Ergebnisse. Der Mediziner meint, das liege an einer suboptimalen Probandenauswahl.

Denn: Gebe es im Körper andere Entzündungen, sei der hs-CRP-Wert nicht aussagekräftig im Hinblick auf Arterienverfettung. Sei der Körper sonst aber entzündungsfrei, sei seiner klinischen Erfahrung nach der prognostische Wert gut.

Mittel gegen Messprobleme

Um Messprobleme zu verringern, erfasst der Arzt zuerst den weniger reaktionsintensiven CRP-Wert. Ist dieser niedrig, nimmt er an, der Körper sei entzündungsfrei, und nutzt den hs-CRP-Wert als Indikator für Arterienverfettung und damit das Herzinfarktrisiko.

Seit einem Jahr verwendet Edel noch einen anderen, speziellen Laborwert. "Derzeit erhebe ich neu den Lp-PLA2-Wert für die Bestimmung der Festigkeit von Ablagerungen. Das ist ein Eiweiß, das unbeeinflusst von Entzündungen im Körper aus Gefäßplaques freigesetzt wird. Je instabiler eine Ablagerung ist, desto höher ist der Lp-PLA2-Wert."

Der Arzt sucht im Fundus möglicher Blutwerte weiter nach Infarkt-Warnern. Seit Kurzem tut er das am Herz- und Kreislaufzentrum in Rotenburg an der Fulda. Über das dort integrierte Institut für klinische Forschung möchte er dann zu ausgewählten Laborwerten eigene, langfristige Verlaufsdaten erheben.

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