Hausarzt mit eigenem Konzept

"Vorbeugen ist besser als Heilen"

Krankheiten möglichst verhindern, das ist Leitmotiv von Hausarzt Dr. Karsten Reinhardt. Über die Erfahrungen und Erfolge mit diesem Konzept hat er ein Buch geschrieben. "Die Medizin", glaubt Karsten Reinhardt, "bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück."

Von Petra Zieler Veröffentlicht:
Dr. Karsten Reinhardt mit Mitarbeiterinnen in seiner Praxis in Aken nahe Magdeburg.

Dr. Karsten Reinhardt mit Mitarbeiterinnen in seiner Praxis in Aken nahe Magdeburg.

© Petra Zieler

AKEN. Wenig Diabetiker, die Insulin spritzen müssen, kaum Krebspatienten: "Meine Arbeit kommt jetzt zum Tragen", sagt Dr. Karsten Reinhardt, der vor 20 Jahren eine prospektive Studie der Allgemeinmedizin begonnen hat.

Mit seiner Bewerbung für den Innovationspreis vor zwei Jahren von Springer Medizin, zu der auch die "Ärzte Zeitung" gehört, und UCB Innere Medizin hat der Akener Hausarzt seine Ideen und Erfahrungen erstmals öffentlich gemacht. "Mir ist es nicht um einen Preis gegangen, vielmehr hatte ich gehofft, Gleichgesinnte oder auch Kritiker zu finden."

Wie ein Rufer in der Wüste

Der Allgemeinmediziner, der früher in der Medizinischen Akademie Magdeburg wissenschaftlich gearbeitet hatte, ist der kollegiale Austausch wichtig. Gern würde er seine Studie auf eine breitere Basis stellen, unbedingt ein Netzwerk aufbauen, von dem Ärzte untereinander, aber vor allem Patienten profitieren können. Hoffnung, die sich bislang nicht erfüllte.

Reinhard fühlt sich wie ein Rufer in der Wüste. Doch Aufgeben kommt nicht infrage: "Ich bin Hausarzt geworden, um herauszufinden, wann und wie sich Krankheiten realisieren, den Umkehrpunkt zu erkennen, an dem sich die eigene Fähigkeit zur Regulation verliert."

Aus diesem Grund hatte Karsten Reinhardt der Universitätsmedizin den Rücken gekehrt und vor zwei Jahrzehnten schließlich begonnen, alle Patienten mit Risikofaktoren, wie Bluthochdruck, Übergewicht, Zucker intensiver (labormedizinisch) und vor allem relevante Bioprädikatoren zu diagnostizieren und engmaschig zu betreuen.

Drei Faktoren im Blick

Er setzt dabei auf die drei Faktoren: Theorie der Systemmedizin, Erforschung von Risikofaktoren über eine prospektive Langzeitstudie und die Anpassung der Therapie und Betreuung in Form von Risikodispensaire. Erfahrungen und Erfolge bei der Behandlung seiner Patienten hat der Allgemeinmediziner und Zahnarzt in seinem Buch "Angewandte Systemmedizin – in Theorie und Praxis", das mittlerweile im Logos Verlag Berlin (ISBN 978-3-8325-4265-8) erschienen ist, veröffentlicht.

Es ist gleichsam Zeugnis seines lebenslangen Credos: Vorbeugen ist besser denn heilen, das seinen Niederschlag in therapeutischer Frühintervention sowie in einem engmaschigen Betreuungssystem findet. Dazu gehört für den Arzt auch, Patienten zu vermitteln, wahrnehmbare Zeichen physischer Dysregulation zu erkennen und Symptome als Risikofaktoren zu akzeptieren.

Authentische Fälle aus der eigenen Praxis

Auf mehreren Seiten stellt Karsten Reinhard in seinem Buch authentische Fälle aus seiner Praxis vor, legt Diagnostik, Therapie, Krankheitsverläufe offen, bei denen er die Regulationsdynamik auf Grundlage spezifischen basismedizinischen Qualitätsmanagements erfolgreich in Gang gesetzt hat und somit selbst multimorbiden, schwerkranken Patienten nachhaltig helfen konnte. Reinhard liefert den Beweis, wie effizient Systemmedizin bereits im Anfangsstadium (aber nicht nur) sein kann.

Das Ziel, Krankheiten möglichst zu verhindern, ihren Verlauf abzuschwächen oder ein Fortschreiten zumindest zu verlangsamen, ist für den 66-Jährigen nach wie vor tägliche Herausforderung, von der ein Großteil seiner rund 1400 Patienten, die pro Quartal in die Akener Praxis kommen, profitiert.

"Viele sind mit mir alt geworden", sagt Karsten Reinhard. Dass sie ihr Leben bei relativ guter Gesundheit nach wie vor genießen, freut den Mediziner, ist ihm aber auch immer wieder Ansporn, nicht aufzugeben. "Früher wurde ich mit Regressforderungen bombardiert, weil ich angeblich zu viele Medikamente verschrieben habe, heute fragen die Kassen nach, weshalb ich kaum Insulin verordne. Sie brauchen chronisch kranke Patienten für mehr Geld aus dem Risikostrukturausgleich."

Regressforderungen fallen gelassen

Für Karsten Reinhardt zwei Seiten einer Medaille: "Wird Regulationsdynamik durch Frühintervention in Gang gesetzt, kostet das am Anfang, spart am Ende aber mehr." Übrigens: Sämtliche Regressforderungen gegen den Allgemeinmediziner sind spätestens vor Gericht fallen gelassen worden. "Die Medizin", glaubt Karsten Reinhardt, "bleibt hinter ihren Möglichkeiten zurück."

Deshalb wirbt er für einen Paradigmenwechsel zur Systemmedizin. "Mit der neuen Strategie der Basismedizin – ambulante Risikodispensaire – können komplexe Interventionen früher und zielgerichteter dem Ausbruch von Krankheiten zuvorkommen und Komplikationen verhindern."

Angespornt – vielleicht durch kollegiale Negierung – hat sich der Akener nun eine erneute Fleißarbeit verordnet. Er will Krankheitsverläufe, aufgeschlüsselt nach Indikationen, statistisch aufarbeiten und veröffentlichen.

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