Gelebte Delegation

Patientenschulung durch MFA soll Ärzte entlasten

Der Wettbewerb "Erfolgs-Rezept Praxis-Preis" bringt innovative Ideen zum Vorschein. Ein Projekt aus dem beschaulichen Böhmenkirch zeigt, dass auch Praxisteams auf dem Land preisverdächtige Einfälle haben.

Von Michael Sudahl Veröffentlicht:
Ausgezeichnete MFA: Edith Biegert wurde 2015 für ihr Engagement mit dem Staufer-Service-Preis ausgezeichnet. Michael Sudahl

Ausgezeichnete MFA: Edith Biegert wurde 2015 für ihr Engagement mit dem Staufer-Service-Preis ausgezeichnet. Michael Sudahl

© Michael Sudahl

BÖHMENKIRCH. Schon bei der Anfahrt fällt auf, dass in Böhmenkirch, am Fuße der schwäbischen Alb, die Welt noch in Ordnung zu seien scheint. Ein 5000-Seelen Dorf inmitten grüner Natur. Dort befindet sich die Praxis von Allgemeinmediziner Dr. Josef Brandner. In einem älteren Gebäude, unfehlbar, an der Hauptstraße.

Die Türschwelle passierend, begrüßt Edith Biegert Patienten herzlich. Die Medizinische Fachangestellte (MFA) ist durch und durch Böhmenkirchnerin. Seit nun schon 25 Jahren arbeitet die 56-Jährige in Brandners Praxis. "Der Beruf und die Berufung Menschen zu helfen, machen mich glücklich, Alternativen wüsste ich keine", lacht die dreifache Mutter.

Sie setzte sogar noch einen drauf und arbeitete sechs Jahre lang an Wochenenden im örtlichen Pflegeheim. Heute pflegt sie zu Hause ihre Schwiegereltern. Ihre offene und herzliche Art überzeugt.

2015 wurde die zusätzlich ausgebildete VERAH und NäPA mit dem Staufer-Service-Preis ausgezeichnet. Man merkt: Dr. Brandner legt Wert auf geschultes Personal und hohe Qualität.

Angebot für Chroniker

Beim Erfolgs-Rezept Praxis-Preis 2016 von Springer Medizin und UCB Innere Medizin zählte Biegert zu den Top-Bewerbern im Wettbewerb. Sie entwickelte ein Konzept zur Schulung von chronisch erkrankten Patienten zur Selbstvorsorge.

Im Rahmen von Disease-Management-Programmen (DMP) können solche Weiterbildungen über die Kassenärztliche Vereinigung (KV) durchgeführt und abgerechnet werden.

Auf Einladung der KV haben Brandner und Biegert an einer Weiterbildung "Präventionsschulung für Patienten" teilgenommen, das Gelernte setzen sie bis heute mit Erfolg um: Die Schulungen in Brandners Praxis umfassen das ganze Spektrum der chronischen Erkrankungen –ob Asthma-COPD, Diabetes mellitus Typ II B oder koronare Herzerkrankungen.

"Es geht im Kern darum, ein Bewusstsein für die Krankheiten zu schaffen", so Biegert. Teilnehmer sollen lernen, ihre Krankheit in den Griff zu bekommen. Durch mehr Verständnis für die eigene Situation könne dann die Lebensqualität steigen.

Wurde eine Krankheit, diagnostiziert, wird der Patient zur Schulung eingeladen. Nach einer Besprechung, einem Bluttest und einer Herzuntersuchung geht es los.

Das Programm besteht aus insgesamt vier Modulen, welche mit einem Handbuch begleitet werden: Allgemeines Wissen über die eigene Krankheit, Ernährung, Sport und medikamentöse Anwendungen mit insgesamt acht Unterrichtseinheiten zu je 45 Minuten.

Für die Schulung nutzt Biegert nach Feierabend den praxiseigenen Besprechungsraum. Datenschutzbedenken hat sie bisher keine. "Ich frage selbstverständlich, ob die Patienten in Anwesenheit von Anderen über ihre Krankheit sprechen möchten".

Die anfänglichen Zweifel verfliegen jedoch meist schnell. Hier müsse die Situation nur kurz aufgelockert werden. "Ich biete dafür gerne Schokolade an, dann spüren die Teilnehmer meine Offenheit", erklärt Biegert. Süßes für Diabetiker? "Ja", sagt die MFA, Tabus seien nicht gleich tabu.

Bisher rund 300 Teilnehmer

Der Erfolg der Schulungen spricht für sich. Bisher haben rund 300 Patienten in Kleingruppen mit bis zu sechs Personen am Präventionsprogramm teilgenommen. Vierteljährlich werden die Teilnehmer untersucht.

Darunter gibt es dann nur Wenige, die nach dem Training mit ihrer Gesundheit schludern. Diese werden gegebenenfalls erneut eingeladen, um das Bewusstsein aufzufrischen. Dann klappe es in der Regel.

"Ich kann das Konzept jeder Praxis ans Herz legen", betont Biegert. Die Vorteile überwögen: Neben der Patientenbindung fühlen sich die Teilnehmer vor allem wahrgenommen.

Ein positiver Effekt seien auch die finanziellen Entlastungen der Krankenkassen aufgrund verringerter Folgeerkrankungen der Teilnehmer, sowie Zeitersparnisse durch Delegation an die MFA. Zusätzlich können Ärzte die Besprechungszeiten oder Schulungen des Personals über die KV abrechnen und bleiben somit nicht auf den verursachten Kosten sitzen.

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