Digital-Gipfel

Digitales Airbus-Projekt soll auch Medizin bedienen

Auch wenn das Gesundheitswesen beim Digital-Gipfel der Bundesregierung kaum vertreten war: Medizin spielt in den Plänen der Bundesregierung zur künstlichen Intelligenz eine wichtige Rolle.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Ein europäisches Konsortium soll, wie vor 50 Jahren beim Airbus, eine Datenplattform für Künstliche Intelligenz zum Abheben bringen.

Ein europäisches Konsortium soll, wie vor 50 Jahren beim Airbus, eine Datenplattform für Künstliche Intelligenz zum Abheben bringen.

© DB Airbus / dpa / dpaweb / pi

NÜRNBERG. Für Professor Joachim Hornegger von der Universität Erlangen-Nürnberg haben KI-Algorithmen in der Medizin ganz klar „disruptives Potenzial“, sprich sie könnten viele Bereiche der medizinischen Versorgung stark verändern. Der Experte für Mustererkennung illustrierte das beim Digital-Gipfel in Nürnberg anhand der Bildgebung. Dort sei es mit Hilfe selbstlernender Algorithmen schon heute möglich, anatomische Regionen automatisch zu detektieren, Nervenbahnen für die Hirnchirurgie zu visualisieren, auf Lungenrundherde zu screenen oder CT-basierte Subtraktionsangiographien auch für bewegliche Arterien wie die Koronararterien zu ermöglichen.

Was für die Radiologie gilt, gilt auch für andere Bereiche der Medizin. Die Politik will die Entwicklung entsprechender Lösungen unterstützen. So erwähnt die KI-Strategie der Bundesregierung ausdrücklich den Pflegebereich, wo selbstlernende Algorithmen künftig robotische Systeme steuern könnten, die Tätigkeiten übernehmen, für die bisher eine Pflegekraft nötig war.

C3PO bleibt noch draußen

Das muss auch nicht gleich ein humanoider C3PO sein: Viel mehr Hoffnung setzen viele in Roboterarme, die auch selbst gesteuert werden und so den Patienten mehr Autonomie verschaffen könnten. Der im Rahmen des kürzlich verabschiedeten Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes neu geschaffene Paragraf 8 Absatz 8 des SGB XI sieht für die Jahre 2019 bis 2021 eine umfangreiche Förderung digitaler und technischer Ausrüstung für Pflegeeinrichtungen vor. Das könnte auch für Serviceroboter eine Eingangspforte werden.

Ebenfalls (auch) auf die Medizin zielt die in der KI-Strategie vorgesehene Einrichtung von Testfeldern und Reallabors, um KI-Anwendungen unter möglichst alltagsnahen Bedingungen zu erproben. Für selbstfahrende Autos gibt es ein entsprechendes Testfeld bekanntlich auf der A9. Für die KI im Gesundheitswesen wird derzeit die Berliner Region als Standort diskutiert. Gesundheitsminister Jens Spahn, der sich in Nürnberg vertreten ließ, hatte entsprechende Pläne angedeutet, ohne sie bisher freilich zu konkretisieren.

Noch größere KI-Brötchen backen wollen Wirtschaftsministerium und Kanzleramt, und auch in diese Überlegungen spielt die Medizin hinein. So ist in der KI-Strategie relativ wolkig die Rede von einem „wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischem Interesse“, das angestoßen werden solle.

Wirtschaftsminister Peter Altmaier wurde hier in Nürnberg jetzt etwas konkreter: Geplant ist demnach eine Art neues Airbus-Projekt, bei dem sich mehrere EU-Mitgliedsstaaten zusammentun, um nach dem Vorbild der Airbus-Gründung Anfang der 1970er Jahre die Bildung eines europäischen Konzerns zu unterstützen, der international wettbewerbsfähig ist. Dabei geht es ganz unbescheiden um einen global agierenden Digital-Konzern in der Liga von Amazon oder Tencent, den Europa bisher nicht besitzt und der als eigenständiger Plattformanbieter agieren kann.

Europas große Schwäche bei KI

Dass die für KI-Anwendungen zwingend erforderlichen digitalen Datenplattformen durchweg in den USA oder China sind, gilt als großer Pferdefuß aller KI-Bemühungen europäischer Staaten. Mittlerweile habe es erste Gespräche zwischen Deutschland und Frankreich gegeben, so Altmaier. Er gehe davon aus, in den nächsten Monaten konkreter werden zu können.

Zwei Bereiche, in denen sich ein solcher Konzern dem Minister zufolge vorrangig engagieren könnte, seien das autonome Fahren und – die medizinische Diagnostik. Hier kam dann in Nürnberg auch prompt Beifall aus dem Gesundheitswesen: „Eine europäische Plattform, die einen sicheren, transparenten und liberalen Zugang zu Gesundheitsdaten ermöglicht, ist unbedingt nötig. Wenn wir da nicht in eine konkurrenzfähige Situation kommen, hilft uns auch der Fortschritt bei der KI nichts“, sagte Stefan Vilsmeier, Chef des Medizintechnikunternehmens Brainlab.

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