Künstliche Intelligenz

KI für Kliniken eher Chance als Risiko

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens und damit die systematische Auswertung von Big Data beflügelt die Versorgung, sind sich Experten sicher. Ärzte sind dabei nicht außen vor.

Von Christina Bauer Veröffentlicht:
Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt durch KI?

Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt durch KI?

© Konstantin Hermann / stock.adobe.com

MÜNCHEN/AUGSBURG. Den in die Digitalisierung gesetzten Hoffnungen stehen Ängste gegenüber, Technologien wie Künstliche Intelligenz (KI) könnten menschliche Arbeitskräfte künftig ersetzen. Für Vertrauen in neue Technik warben Experten auf der Innovationskonferenz DLD (Digital Life Design) vergangenes Wochenende in München. Zuvor zeichnete auch ein Podium in Augsburg positive Perspektiven für die Medizin.

Dass eine Konkurrenz durch digitale Technologien Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt, legte unter anderem eine Befragung der Hans-Böckler-Stiftung in 2018 nahe. Insbesondere bei Pflegekräften dominiere die Furcht vor Arbeitsplatzverlust, Ärzten schrieben die Autoren eine höhere Digitalaffinität zu.

Jedoch werde speziell die Ausbreitung von Künstlicher Intelligenz in der Arbeitswelt auch viele Jobs verschonen, so der KI-Forscher Kai-Fu Lee auf der DLD. In den kommenden 15 Jahren würden zwar viele Arbeitsplätze durch KI besetzt oder als Folge eines Branchenwandels wegfallen. Es gebe aber viele Gründe für Hoffnung, so Lee. „Wenn sie kreativ sind und etwas Neues aufbauen – diese Jobs sind sicher.“ Dies seien vor allem Arbeitsplätze, wo menschliche Beziehungen eine Rolle spielten, etwa bei Ärzten, Krankenschwestern oder Altenpflegern. Da werde es sogar Zuwächse geben. KI könne nicht Vertrauen oder Empathie vortäuschen, daher sehe er keine Massenarbeitslosigkeit.

Positive Augsburger Perspektiven

Welche Risiken, aber vor allem Chancen KI, Big Data und Informatik für die klinische Versorgung bieten, war auch Thema bei den Augsburger Perspektiven 2018. Die Technik müsse nur richtig eingesetzt werden, so das Fazit. An der neuen Medizinischen Fakultät der Uni Augsburg war im vergangenen Herbst als erstes der Studiengang Medizininformatik gestartet. Er soll ermöglichen, große Datenmengen auszuwerten, Muster zu erkennen und wolle so die Versorgung verbessern. Professor Frank Kramer, seit Oktober dort Professor für IT-Infrastrukturen für die medizinische translationale Forschung, sieht viele Nutzungsmöglichkeiten. „Ziel ist, neue Formen der Diagnostik und Therapie zu ermöglichen und bestehende Prozesse zu optimieren“, so Kramer.

Einen wichtigen Anwendungsbereich sah Dr. Andreas Jerrentrup, Chefarzt des Zentrums für Notfallmedizin am Universitätsklinikum Marburg, für seltene Krankheiten. Hier könnten Algorithmen in großen Datenmengen Muster erkennen, die sonst schwer auffindbar seien.

„Wir haben eine Wissenslücke von mindestens 7000 Erkrankungen. Die haben alle Ärzte“, so Jerrentrup. Am Uniklinikum Marburg gebe es inzwischen interdisziplinär besetzte Boards speziell für Fälle seltener Krankheiten. Der hohe Bedarf zeige sich in derzeit 7500 Anfragen, bisher seien etwa 950 bearbeitet worden. Ein spezieller Such-Algorithmus sei FindZebra aus Dänemark, das kostenlos genutzt werden könne. Ähnlich funktioniere das kostenpflichtige Isabel. Zudem könnten Systeme mit natürlicher Sprachverarbeitung wichtige Dokumente aus großen Datenmengen extrahieren, die niemand lesen könne.

Eines der derzeit genutzten Systeme sei Ada. Professor Nisar Peter Malek, Ärztlicher Direktor der Klinik für Innere Medizin I an der Universität Tübingen, lenkte den Blick auf Personalisierung. „Wir stellen für viele Patienten keine Therapien zur Verfügung, die diesen auch helfen“, so Malek.

So sprächen vier von zehn Patienten mit Asthma, Depressionen oder Herzrhythmusstörungen nicht auf die Behandlung an. Noch viel weniger seien es vor allem bei Krebs und Demenz. Gensequenzierungen könnten helfen. Sie ermöglichten es, Subgruppen zu erkennen und gezielter zu therapieren.

Am Universitätsklinikum Tübingen gebe es molekulare Tumorboards, die gezielt neue therapeutische Möglichkeiten ermittelten. Die Daten würden in einer Datenbank gesammelt, um weitere Auswertungen zu ermöglichen. Derzeit enthalte sie 30.000 Fälle.

Lebenslanges Lernen ist ein Weg

Auch Kramer zufolge optimiere computergestützte Organisation viele Abläufe. Er sieht Vorteile unter anderem in bildgebenden Verfahren, Telemedizin, Apps und Wearables. Weiterentwicklungen gebe es derzeit vor allem beim Verknüpfen von Daten, dem Erkennen von Mustern, etwa zur Diagnostik, und der Auswertung großer Datenmengen. Ärzte, und nicht zuletzt Patienten, müssten entsprechendes Wissen erlernen, damit sie die Möglichkeiten einschätzen und nutzen könnten. An der Universitätsklinik Augsburg werde nun zunächst eine technologische Infrastruktur aufgebaut, damit etwa Bilddaten gemeinsam genutzt werden können.

Im steten Lernen sieht auch Deutsche-Post-Chef Frank Appel einen Weg in die Zukunft. Dafür müsse aber das Bildungssystem grundlegend umgestaltet werden, sagte Appel auf der DLD. Auch Italiens ehemaliger Digitalisierungsbeauftragter Diego Piacentini forderte auf dem Kongress, die europäischen Länder sollten in Schulen und Universitäten investieren, um den technologischen Wandel zu gestalten. „Lasst uns nicht das Google von Europa oder das Google von Deutschland aufbauen, sondern die Zukunft erfinden“, so Piacentini. Einen Großpool von etwa 1,7 Millionen Fällen habe die Centraxx Datenbank der Firma Kairos GmbH. (mit Material von dpa)

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