Behandlungsfehler

Ärzte unter Druck

In Nordrhein häufen sich die von Patienten angezeigten Verdachtsfälle auf ärztliche Behandlungsfehler. Die Gutachter sehen diese Tendenz positiv. Nicht erfreut sind sie darüber, wie Haftpflichtversicherer Druck auf Ärzte ausüben.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Nicht immer verhalten sich Haftpflichtversicherer im Schadenfall seriös, monieren Gutachter.

Nicht immer verhalten sich Haftpflichtversicherer im Schadenfall seriös, monieren Gutachter.

© N-Media-Images/fotolia.com

DÜSSELDORF. Die Arzthaftpflichtversicherer verlangen von Ärzten immer häufiger, sich nicht an den Verfahren der ärztlichen Schlichtungsstellen zu beteiligen.

Diese Erfahrung macht die Gutachterkommission für ärztliche Behandlungsfehler (GAK) bei der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo).

Von Ende September 2011 bis Ende September 2012 verweigerten 124 Ärzte die Teilnahme an dem freiwilligen Begutachtungsverfahren, berichtete der GAK-Vorsitzende Dr. Heinz-Dieter Laum auf der ÄKNo-Vertreterversammlung.

"Haftpflichtversicherer veranlassen vielfach die Ärzte, sich nicht zu beteiligen, weil sie den Obolus sparen wollten", sagte Laum. Die Versicherer tragen rund 40 Prozent der Kosten für die Arbeit der Kommission.

Diese Kostenbeteiligung sei gerechtfertigt, betonte Laum. "Mehr sollte es nicht sein, das Verfahren sollte in der Hand der Ärzte bleiben."

Für die Tatsache, dass die Versicherer aus Kostengründen die GAK-Arbeit torpedieren, hat er kein Verständnis.

Verfahrensmodus 2011 geändert

Das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium hatte nach der Beschwerde eines Patienten die langjährige Praxis als rechtswidrig eingestuft, Verfahren nur dann durchzuführen, wenn Arzt und Patient einverstanden sind.

Nach einem Beschluss des ÄKNo-Vorstands hat die Kommission die Verfahrensweise im September des vergangenen Jahres geändert.

Die Kommissionsmitglieder seien davon ausgegangen, dass die Patienten an Verfahren ohne Mitwirkung der Ärzte kein Interesse haben, sagte er. Das sei aber nicht der Fall.

In 60 der 124 Fälle hätten die Patienten an dem Verfahren festgehalten und die damit verbundenen Kosten übernommen. Sie müssen bei der Kommission Fotokopien der Behandlungsunterlagen einreichen.

Bei den bislang abgeschlossenen Begutachtungen ohne Beteiligung der Ärzte hat die Kommission in 28,57 Prozent der Fälle einen Behandlungsfehler festgestellt.

Mehr Anträge eingegangen

Über alle Verfahren betrug die Behandlungsfehlerquote von Oktober 2011 bis September 2012 in Nordrhein 30,94 Prozent. Das war etwas weniger als die 33,88 Prozent des Vorjahreszeitraums und des langjährigen Durchschnitts von 32,27 Prozent. "Es handelt sich um normale Schwankungen", sagte Laum.

Im Berichtszeitraum waren bei der GAK 2090 Anträge eingegangen, 5,3 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. "Das ist eigentlich ein Grund zur Freude, denn es zeigt das Vertrauen der Patienten", sagte der ehemalige Oberlandesgerichts-Präsident.

Das Problem sei, dass es den Kommissionsmitgliedern nicht gelungen ist, das gestiegene Aufkommen zu bewältigen. "Wir sind an der Grenze der Belastbarkeit angekommen."

Die GAK beendete insgesamt 1935 Verfahren. Der Bestand offener Anträge beträgt 1730. "Vielleicht müssen wir irgendwann schmerzhafte Einschnitte vornehmen müssen, um den Geschäftsanfall zu erledigen", sagte Laum.

Mehr Klagen über Hygieneverstöße

Bei den Behandlungsfehlervorwürfen spielen nach seinen Angaben in zunehmenden Maß der Verstoß gegen Hygienevorschriften und die Folgen von nosokomialen Infektionen eine Rolle.

"Es ist wichtig, dass die Ärzte die Empfehlungen des Robert Koch-Instituts beachten und das in der Dokumentation zum Ausdruck bringen", betonte Laum. In einem solchen Fall trage der Patient die Beweislast. "Wenn Sie sich nicht danach richten, kann es äußerst schwierig werden", warnte er die Ärzte.

Generell warnte Laum die ÄKNo-Delegierten davor, die Dokumentationspflichten zu vernachlässigen. Gerichte würden Maßnahmen, die hätten dokumentiert werden müssen, als nicht durchgeführt ansehen.

Die bürokratische Belastung durch die missliebige Dokumentation müssten die Mediziner hinnehmen, sagte er. "Sie dient auch der Entlastung des Arztes."

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