Fortbildung

Onkologen fordern Bildungszuschlag

Mehr Transparenz, mehr Unabhängigkeit, mehr Geld: Die Onkologen wollen die ärztliche Fortbildung in EBM, GOÄ und DRG unterbringen. Ihr Ziel: Ein neues Verhältnis zur Industrie - im positiven Sinn.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Zwei Tage Fortbildung - und wer zahlt?

Zwei Tage Fortbildung - und wer zahlt?

© fovito / fotolia.com

BERLIN. Die Forderungen nach einer Beteiligung der öffentlichen Hand und der privaten Assekuranz an der ärztlichen Fortbildung werden lauter.

Grund ist ein von den Ärzten befürchteter zu starker Einfluss der Hersteller von Arzneimitteln und Medizinprodukten auf das Fortbildungsgeschehen. Etwa 60 bis 70 Prozent der Fortbildungsveranstaltungen für Ärzte würden von der Industrie finanziert, schätzen die Onkologen.

Eine angemessene Finanzierung der Personalentwicklungskosten in den Vergütungssystemen niedergelassener Ärzte und der Krankenhäuser hat deshalb nun die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie (DGHO) gefordert.

"Angesichts der Notwendigkeit ärztlicher Fortbildung und der gesetzlichen Verpflichtung ist es erstaunlich und befremdlich, dass Konzepte für eine öffentliche Finanzierung vollständig fehlen", heißt es in einem Positionspapier, das die DGHO mit dem Berufsverband Niedergelassener Gynäkologischer Onkologen (BNGO) und dem Interessenverband zur Qualitätssicherung der Arbeit niedergelassener Uro-Onkologen in Deutschland (IQUO) verfasst hat. Die Ärzte sollen sich weiterhin auch selbst an den Kosten der Fortbildung beteiligen.

Gleichzeitig wollen die Fachgesellschaft und die beiden Verbände ihr Verhältnis zur Industrie klären, genauer gesagt zum Sponsoring der ärztlichen Fortbildung durch Pharmaunternehmen und Medizintechnikhersteller.

"Objektiv ist Pharmasponsoring politisch gewollt, nur will das keiner offen sagen", sagte der geschäftsführende DGHO-Vorsitzende Professor Mathias Freund bei der Vorstellung des Papiers in Berlin. Es sei daher "extrem wichtig", das Verhältnis der Ärzte zur Industrie zu definieren.

Vor dem Hintergrund der völlig fehlenden Finanzierung der Fortbildung in Praxen und Kliniken sehe die DGHO keine Möglichkeit, eine Unterstützung der Industrie für die Teilnahme an qualitativ hochwertigen wissenschaftlichen Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen abzulehnen, sagte Freund.

Immerhin komme der Fortschritt zu großen Teilen aus der Industrie. "Es bleibt allerdings ein nicht auflösbarer Interessenkonflikt zwischen den wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen und den Notwendigkeiten der bestmöglichen Versorgung von Krebspatienten", sagte Freund.

Ärzte sollen Interessenkonflikte offen legen

Bei der Entwicklung neuer Produkte arbeiten Ärzte und Industrieunternehmen eng zusammen. Das lässt sich nicht vermeiden. Eine völlige Unabhängigkeit der Ärzte von der forschenden Industrie sei lebensfremd, sagte Dr. Götz Geiges, der Vorsitzende des IQUO.

Die Fachverbände fordern von diesen Ärzten, zum Beispiel bei Vorträgen alle potenziellen Interessenkonflikte offen zu legen, die Zusammenarbeit mit der Industrie und das Honorar schriftlich zu fixieren, einen Zusammenhang zwischen Honorar und Beschaffungsvorhaben oder Verschreibungen auszuschließen sowie das Äquivalenzprinzip zwischen Aufwand und Honorarhöhe zu wahren.

Zudem müssten nach Auffassung der DGHO alle von der Industrie zur Verfügung gestellten Daten deutlich als solche erkennbar sein.

Dementsprechend organisiert die DGHO ihre Jahrestagungen bereits seit 2009 getrennt in einem wissenschaftlichen Kongress und von der Industrie gesponsorte Satellitensymposien und Ausstellungen.

Eine ärztliche Fortbildung unter transparenten Bedingungen gehöre zu einer patientenzentrierten und -orientierten Versorgung, sagte der BNGO-Vorsitzende Dr. Hans-Joachim Hindenburg.

Lüftner: Wir brauchen Fortbildungs-Forschung

Die Fortbildung zum Gegenstand der Versorgungsforschung zu machen, forderte Professor Diana Lüftner, Vorsitzende der DGHO. "Es gibt kaum Daten zur Versorgung von Patienten in Abhängigkeit vom Stand der Fortbildung der sie behandelnden Ärzte", sagte Lüftner.

Das Positionspapier geht gleich eingangs darauf ein, warum dies interessant sein könnte. Die Halbwertszeit medizinischen Wissens schrumpfe. Mit der Zunahme des Wissens insgesamt beschleunige sich der Prozess der Alterung des vorhandenen Wissens. Je länger die Prüfung zurückliege, über desto weniger Wissen verfügten die Ärzte. "Wir verlieren Wissen", sagte Lüftner.

Das liege auch an der zweifelhaften Qualität mancher Fortbildungsveranstaltungen. Alleine in Berlin habe es im Jahr 2012 mehr als 15.000 zertifizierte Veranstaltungen gegeben. Masse scheint aber nicht automatisch zur Klasse zu führen. "Zertifizierung heißt nicht automatisch, dass wir damit weit fortgebildet sind", sagte Lüftner.

Die Pharmaunternehmen sind ebenfalls an einer Neuausrichtung des Verhältnisses zwischen Unternehmen und Ärzten interessiert. Ein Kodex des europäischen Dachverbands der forschenden Pharmaunternehmen (EFPIA) empfiehlt Mitgliedsunternehmen, künftig alle direkten und indirekten Geldleistungen und andere geldwerten Zuwendungen an Ärzte und Krankenhäuser öffentlich zu machen.

Start in Deutschland soll 2015 sein. Der vfa ist dabei, die rechtlichen Voraussetzungen für die Transparenzinitiative zu schaffen.

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